Geschwistermord bei Vögeln testosteronbedingt

Die Küken der Nazca-Tölpel, einer auf den Galapagos-Inseln beheimateten Seevogelart, sind offenbar schon vor dem Schlüpfen auf einen Konkurrenzkampf mit ihren Geschwistern programmiert. Grund dafür sind extrem erhöhte Testosteronspiegel und andere männliche Sexualhormone im Blut der Jungtiere, berichtet ein Forschungsteam der Wake Forest University.

Sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Küken habe dieser Hormonüberschuss Aggressionen ausgelöst und die Tiere darauf vorbereitet bis zum Tod mit ihrer „Konkurrenz“ zu kämpfen, sobald sie geschlüpft sind. Auch im weiteren Leben setzte sich die Rüpelhaftigkeit des überlebenden Geschwistervogels fort, erklärt Studienleiter David Anderson.

Nazca-Tölpel können nur ein Küken großziehen. Für den älteren Nachwuchs sei es also immens wichtig, das jüngere Küken aus dem Nest verschwinden zu lassen, um die Chancen für das eigene Überleben zu verbessern. „Deshalb fällt das ältere Küken bedingungslos über das Jüngere her und stößt es innerhalb weniger Tagen nach dem Schlüpfen aus dem Nest“, sagt der Biologe. Um diesem brutalen Verhalten auf den Grund zu gehen hatten Anderson und seine Kollegen bei verschiedenen Küken der Art innerhalb von 24 Stunden nach dem Ausschlüpfen Blutproben entnommen. Jeweils fünfzehn Nester mit einem bzw. zwei Küken sowie Blutproben von jungen Blaufußtölpeln dienten den Forschern als Vergleichsmaterial.

Bei der Analyse des Hormonspiegels im Blut zeigte sich, dass dieser bei den Nazca-Tölpeln um das Dreifache höher war als bei ihren weniger aggressiven Verwandten.

Auch während der Aufzucht und im späteren Lebensverlauf habe sich das angriffslustige Verhalten der Nazca-Tölpel fortgesetzt, berichten die Forscher. So hätten sie regelmäßig andere Nestlinge in ihrer Kolonie aufgesucht und die wehrlosen Jungtiere während dieser Besuche gebissen und herumgestoßen. „Die Hormone, die Teil dieses epischen Kampfs im frühen Lebensstadium sind, scheinen dauerhaften Einfluss auf das Sozialverhalten und die Persönlichkeit der Vögel zu haben“, meint Anderson.

„Der sogenannte Kainismus ist ein verbreitetes Phänomen in der Vogelwelt und vor allem bei den Greifvögeln anzutreffen“, sagt Anita Gamauf von der 1. Zoologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien im Gespräch mit pressetext „Je größer die Art ist, desto häufiger ist der Geschwistermord. Bei manchen Adlerarten ist der Kainismus sogar obligatorisch, also unabhängig von der Nahrungssituation.“ Bei diesen Arten werde aber auch nur ein Jungvogel zur Erhaltung des Bestandes benötigt, das zweite Ei diene daher eher als Reserve, erklärt die Zoologin die gängige Interpretation der Wissenschaft. Normalerweise dauere diese Phase auch nur wenige Tage.

Ein solches Verstoßen des Zweitgeborenen könne allerdings angesichts sinkender Populationsgrößen zu schwerwiegenden Folgen führen. „In überwachten Gruppen werden deshalb Jungtiere zunächst getrennt oder durch Barrieren voreinander geschützt und nach Abklingen später wieder zusammengebracht“, erklärt Gamauf.

Media Contact

Claudia Misch pressetext.austria

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