Warum Asiaten für Europäer gleich aussehen – und umgekehrt
Für die meisten Europäer sehen nahezu alle Asiaten gleich aus. Umgekehrt gilt übrigens das gleiche. Die unterschiedlichen Haarfarben spielen hierbei nur eine geringe Rolle. Beim Erkennen von Personen nämlich, erklären Dr. Jürgen Kaufmann und Dr. Holger Wiese von der Universität Jena, konzentrieren sich Menschen vor allem auf deren unveränderliche Merkmale jenseits von Haarfarbe oder Alter.
Mit diesem spannenden Feld beschäftigen sich die Mitarbeiter von Prof. Dr. Stefan Schweinberger am Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie im Rahmen einer interdisziplinären Forschergruppe, der neben Psychologen auch Mediziner, Informatiker, Biologen und Sprechwissenschaftler angehören. Für das seit 2009 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützte Projekt beginnt gegenwärtig die zweite Dreijahres-Förderperiode, in der das Vorhaben von sechs auf neun Projekte aufgestockt wird.
Zweimal pro Jahr veranstaltet die Forschergruppe Workshops. Der nächste trägt den Titel „Person Perception: Individual differences and differences between groups“. Er findet am 10. und 11. Oktober 2012 in den Rosensälen (Fürstengraben 27) statt. „Generell beschäftigen wir uns mit der Wahrnehmung von Personen über Gesicht und Stimme“, sagt Dr. Kaufmann. „In diesem Workshop liegt der Schwerpunkt besonders auf der Erforschung der individuellen Unterschiede und der Unterschiede von Personengruppen beim Betrachten“, konkretisiert Dr. Wiese. Wie die Psychologen erläutern, sind Menschen unterschiedlich gut darin, Personen anhand ihrer Stimmen oder ihrer Gesichter wiederzuerkennen.
„Es gibt Menschen, die praktisch niemals ein Gesicht vergessen, und es gibt solche, die sich beim Lernen von Gesichtern sehr schwer tun“, sagt Kaufmann. Eine Spannweite von extrem gut bis extrem schlecht existiert auch im Hinblick auf die Fähigkeit zur Stimmenerkennung. Auf der Agenda des Workshops stehen zudem Effekte wie jener, dass Gesichter anderer Ethnien, Altersgruppen – eventuell sogar des anderen Geschlechts – schlechter gemerkt werden können als die der eigenen.
„Wie bei jedem Workshop werden auch diesmal renommierte externe Key-Note-Speaker vertreten sein“, unterstreicht Wiese. Er verweist auf Referenten wie Prof. Sonja A. Kotz (Max-Planck-Institut, Leipzig), Prof. Richard Russel (Gettysburg College, USA), Prof. Oliver Wilhelm (Universität Ulm) oder Prof. Matthew G. Rhodes (Colorado State University, USA). Unter den Vortragenden wird auch der Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Jena, Prof. Dr. Orlando Guntinas-Lichius, sein. Er wird im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Personen über das Krankheitsbild der Gesichtslähmung (Facialisparese) sprechen, das vor allem die mimische Gesichtsmuskulatur betrifft. Hierzu besteht in Jena eine gemeinsame Forschungsinitiative von Medizinern und Psychologen. Das vollständige Programm ist zu finden unter: http://www.personperception.uni-jena.de.
Obwohl Prof. Schweinberger und seine Mitarbeiter Grundlagenforschung betreiben, sind die Ergebnisse für die Praxis vielfach relevant. Beispielsweise im Bereich der Autismusforschung und bei der Entwicklung spezifischer Rehabilitationsmaßnahmen nach Hirnschädigungen – oder in der Kriminalistik, um die Verlässlichkeit von Augenzeugenaussagen zu überprüfen. Denkbar sind Anwendungen im Sicherheitssektor, macht es doch beispielsweise wenig Sinn, dort Personal mit schlechter Fähigkeit zur Gesichterwiedererkennung zu beschäftigen.
Kontakt:
Dr. Jürgen Kaufmann, Dr. Holger Wiese
Institut für Psychologie der Universität Jena
Am Steiger 3, Haus 1
07743 Jena
Tel.: 03641 / 945185 bzw. 945186
E-Mail: juergen.kaufmann[at]uni-jena.de, holger.wiese[at]uni-jena.de
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