Für ein besseres Verständnis des Gehirns

Sie wurde von der Fachzeitschrift Science bereits als „Durchbruch des Jahrzehnts“ gefeiert: Die Optogenetik. Sie nutzt Licht zur Steuerung von Nervenzellen (Neuronen), die zuvor gentechnisch verändert und damit lichtempfindlich gemacht wurden. Werden diese veränderten Neurone mit Licht einer bestimmten Wellenlänge angeregt, können sie gezielt an- und abgeschaltet werden.

Für die Entwicklung dieser Technik hat jetzt die dänische Grete Lundbeck European Brain Research Prize Foundation sechs führenden Wissenschaftlern den mit einer Million Euro dotierten Brain Prize verliehen. Neben den Deutschen Georg Nagel, Ernst Bamberg und Peter Hegemann zählen der Österreicher Gero Miesenböck sowie die Amerikaner Ed Boyden und Karl Deisseroth zu den Preisträgern. Dies hat die Stiftung am Montag, 11. März, in Kopenhagen bekannt gegeben.

„Gemeinsam haben diese Wissenschaftler den Grundstein für eine revolutionäre Technologie gelegt, die sogenannte Optogenetik, die uns ein völlig neues, grundlegendes Verständnis der komplexen Hirnfunktionen bescheren wird“, heißt es in der Pressemitteilung der Stiftung. Mittels der Optogenetik ließen sich neurologische Erkrankungen wie Parkinson- und Alzheimer-Krankheit, Epilepsie, Schmerzstörungen, Schizophrenie, ADHS und Suchterkrankungen besser untersuchen. Diese Technologie werde eine zentrale Rolle für das Verständnis dieser Erkrankungen und, im Laufe der Zeit, auch in der Entwicklung möglicher Behandlungen spielen, so die Jury.

Ein Lichtschalter für Zellen

Eine Süßwasseralge und ein Salzsee-Archaebakterium standen am Anfang der Arbeiten. Beide besitzen Lichtsinnesproteine zur Orientierung und Energiegewinnung, sogenannte Rhodopsine. Georg Nagel, Peter Hegemann und Ernst Bamberg konnten im Jahr 2002 als Erste zeigen, dass es Rhodopsine gibt, die direkt durch Licht gesteuerte Ionenkänale sind, und bezeichneten sie deshalb als Channelrhodopsine.

Durch Ionenkanäle leiten Zellen elektrische geladene Teilchen durch ihre Zellmembran ins Zellinnere hinein oder in den extrazellulären Raum hinaus. Nervenzellen nutzen diesen Mechanismus beispielsweise für die Signalweiterleitung von Sinnesempfindungen ans Gehirn und zur Steuerung der Muskeln.

Algen-Gen in Tierzellen

Was die Wissenschaftler nun machten: Sie injizierten die Erbinformation für Rhodopsine in die Zellen verschiedener Tierarten und stellten fest, dass die Zellen anschließend deutlich und schnell auf Belichtung reagierten. Das Membranpotenzial dieser Zellen änderte sich; elektrisch geladene Teilchen waren durch die Channelrhodopsine gewandert. Beispielsweise aktivierte Georg Nagel zusammen mit Ernst Bamberg (Max-Planck-Institut für Biophysik, Frankfurt) und Alexander Gottschalk (Universität Frankfurt) Channelrhodopsine in den Nervenzellen des Fadenwurms Caenorhabditis elegans und Peter Hegemann gemeinsam mit Stefan Herlitze von der Universität Bochum Channelrhodopsine in Hühnerembryos und Mäusen.

Ein neues Werkzeug für die Wissenschaft

Die vier europäischen Wissenschaftler Bamberg, Hegemann, Miesenböck und Nagel machten die grundlegenden Beobachtungen und Entdeckungen und entwickelten lichtempfindliche Moleküle, die in bestimmte Arten von Nervenzellen eingeführt werden können. Den beiden amerikanischen Preisträgern gelang in der Zusammenarbeit mit den Europäern die Weiterentwicklung des Verfahrens und dessen Einsatz bei lebenden Säugetieren.

„Mit den Channelrhodopsinen haben Neurobiologen ein neues Werkzeug erhalten, das unser Verständnis des Nervensystems bereits weiter vorangebracht hat und das hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft auch zu neuen Therapien führt“, sagt Nagel.

Zur Person: Georg Nagel

Georg Nagel studierte Biologie an der Universität Konstanz und absolvierte sein Promotionsstudium am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt am Main. Als Postdoktorand arbeitete er an der Yale University in New Haven, Connecticut, und der Rockefeller University in New York City. Von 1992 bis 2004 war Nagel Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biophysik. Seit 2004 ist er Professor am Lehrstuhl für Molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik an der Universität Würzburg.

Für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Optogenetik hat er unter anderem den Wiley Prize in Biomedical Sciences, den Karl Heinz Beckurts-Preis, den Zülch-Preis und zuletzt den Louis-Jeantet-Preis für Medizin erhalten.

Kontakt
Prof. Dr. Georg Nagel, T: (0931) 31-86143; georg.nagel@botanik.uni-wuerzburg.de

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Gunnar Bartsch Uni Würzburg

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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