Meister der Verschlüsselung

Johannes Buchmann gilt in seiner Zunft international als führend. Sein Spezialgebiet ist die Kryptographie, die Wissenschaft der Verschlüsselung von Informationen. Jetzt erhält der Darmstädter Informatikprofessor und Leibniz-Preisträger den mit 30.000 Euro dotierten „Karl Heinz Beckurts-Preis“.

Während sich in vergangen Jahrhunderten Kryptographen mit Geheimschriften, und später mit mathematischen Verschlüsselungsverfahren beschäftigten, die Kriege entscheiden konnten, und deren Entschlüsselung manchen politischen Führer vom Thron stieß, arbeitet Buchmann heute weniger sagenumwoben. Kryptographie ist aber mindestens genauso lebenswichtig wie damals. Heutzutage geht es vor allem um den Schutz digitaler Daten, von denen jeder Mensch im Alltag, aber auch ganze Volkswirtschaften immer stärker abhängig werden.

Buchmann, seit 2001 auch Vizepräsident der TU Darmstadt, erforscht Möglichkeiten, solche Daten mit Hilfe von digitalen Signaturen zu sichern. Eine digitale Signatur ist ein Verfahren, bei dem aus beliebigen Daten – zum Beispiel einer Nachricht – eine Zahl berechnet wird, die die Urheberschaft der Daten für jeden nachprüfbar macht. Ein solches Verfahren beruht auf sehr komplexen, mathematischen Sachverhalten. Durch die Bedrohungen des digitalen Zeitalters entwickelte sich deshalb einer der theoretischsten Bereiche der Mathematik zur gefragten Disziplin: Die Zahlentheorie. „Während meines Studiums begann ich mich für die Zahlentheorie zu interessieren. Damals war das noch ein recht exotisches, wenig anwendungsbezogenes Feld“, sagt Buchmann.

Weltweit auf einen Schlag Millionen von Festplatten löschen

Für das Internetzeitalter sind digitale Signaturen so wichtig wie die eigenhändige Unterschrift. Mehr noch, Johannes Buchmann ist sich sicher: Derjenige, der digitale Signaturen fälschen kann, ist in der Lage, auf einen Schlag Millionen von Festplatten zu löschen. Die Authentizität automatischer Updates von Betriebssystemen wie Windows XP oder Linux wird nämlich durch digitale Signaturen garantiert. Sind diese erst einmal geknackt, ist es möglich, den Computer von außen so zu manipulieren, dass er statt neuer Treiberversionen zu laden, schlicht den Befehl „Format C:“ ausführt. „Es geht mir in meiner Arbeit nicht um Panikmache“, betont Buchmann. „Die Signaturverfahren, die heute existieren, sind bereits extrem sicher. Aber wir brauchen dennoch neue Methoden, um auf ein wachsendes Sicherheitsrisiko bei steigender Abhängigkeit der Menschen von IT-Technik adäquat reagieren zu können.“

Sichere Verschlüsselung von der Forschung bis zur Anwendung

Johannes Buchmann war schnell klar, dass es mit der Erforschung alternativer Signaturverfahren nicht getan ist. Werden Signaturverfahren unsicher, ist das ein „Supergau“, der extreme Reaktionszeiten erfordert. Aus diesem Grund begann Buchmann das Projekt FlexiPKI. Unsichere Komponenten von Signaturverfahren können mit diesem Verfahren leicht ausgetauscht werden, ohne den laufenden Betrieb zu stören. 2003 führte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post seine Software „FlexiTrust“, die solch einen schnellen Austausch unterstützt, in Kooperation mit Buchmanns Start-Up FlexSecure GmbH, T-Systems und dem Deutschen Zentrum für Künstliche Intelligenz ein. Seitdem sichert sie alle qualifizierten Signaturen in Deutschland. Auch das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik verwendet „FlexiTrust“ für die Zertifizierung des neuen deutschen Reisepasses. Auf einem Chip im Einband der Pässe wird künftig ein digitales Bild des Inhabers gespeichert. Das Bild wird durch eine elektronische Unterschrift vor Veränderungen geschützt.

„Eigentlich wollte ich Lehrer werden“

Lange bevor digitale Signaturen eine solch eminent praktische Bedeutung bekamen, beschäftigte sich Buchmann mit ihrer Sicherheit. Er erkannte, dass RSA, das wichtigste Signaturverfahren, keineswegs eine Garantie für Sicherheit ist. Eine einzige geniale mathematische Idee kann alle digitalen Signaturen dieser Welt unsicher machen. Diese wichtige Erkenntnis weckte Buchmanns wissenschaftliches Interesse. Seither dreht sich bei dem 53-jährigen alles um Erfindung, Erforschung und Implementierung alternativer Signatur-und Verschlüsselungsverfahren. „Eigentlich wollte ich einmal Lehrer werden. Aber das bin ich ja auch an der Universität“, erzählt Buchmann. Der Informatikprofessor lockt mittlerweile Studenten aus der ganzen Welt nach Darmstadt. Sein Grundlagenwerk „Einführung in die Kryptographie“ ist in viele Sprachen, zuletzt sogar in Farsi, übersetzt worden. Für seine Arbeiten zur algorithmischen Zahlentheorie und Kryptographie erhielt er 1993 den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 2006 wurde Buchmann in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften gewählt. Der Kurt Beckurts-Preis, den er heute in der Münchener Residenz erhält, ist für ihn trotz vieler Ehrungen der Vergangenheit etwas besonders: „Der Preis zeigt: Aus meiner Wissenschaft wurde etwas wirklich Praktisches“, sagt Buchmann.

Die Karl Heinz Beckurts-Stiftung wurde 1987 von der heutigen Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren gegründet, um den Forscher und Manager Karl Heinz Beckurts, der 1986 einem Terroranschlag zum Opfer gefallen ist, zu ehren und das Andenken an ihn wach zu halten.

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