Neurophysiologen diskutieren über neue Therapien und die Ethik der Hirnstimulation

Der direkte Eingriff in das menschliche Gehirn ermöglicht es, Fähigkeiten etwa des Bewegungsapparates zu manipulieren. Diese Methode diskutieren Experten auf der 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN). Themen des Kongresses sind bildgebende Verfahren, die Lernvorgänge des Gehirns sichtbar machen, Hirntumoren orten, sowie Rehabilitationschancen nach einem Schlaganfall feststellen. Der Kongress findet vom 15. bis 17. März 2012 in Köln statt.

Klinische Neurophysiologen spielen eine immer wichtigere Rolle nicht nur bei der Diagnostik von Erkrankungen des Nervensystems, sondern zunehmend auch bei der Behandlung. Mit der Tiefen Hirnstimulation haben sie beispielsweise schon weltweit mehr als 80 000 Patienten behandelt. Bei Parkinson-Patienten hat sich diese Therapie in den letzten Jahren als hoch wirksam erwiesen. „Mit den implantierten Elektroden verbessern wir die Beweglichkeit der Betroffenen deutlich, auch dann noch, wenn Medikamente gar nicht mehr wirken.“, so Professor Dr. med. Gereon Fink, Kongress-Präsident der 56. Jahrestagung der DGKN. Aber auch bei anderen neurologischen Krankheiten erforschen Experten das minimal-invasive Verfahren. Auf dem Kongress der DGKN stellen sie erste Erfolge bei Menschen mit Depressionen, Epilepsie oder Zwangserkrankungen vor.

Da es sich bei der Tiefen Hirnstimulation um einen direkten Eingriff in das Gehirn handelt, untersuchen Forscher auch, ob sich die Methode auf die Persönlichkeit des Patienten auswirkt. In der Sitzung „Ethik der Tiefen Hirnstimulation“ stellen Experten erste Langzeitergebnisse dazu vor. Einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Neuroethik ist der Neuropsychologe Michael S. Gazzaniga von der University of California in Santa Barbara. Für ihn ist klar: Der freie Wille ist eine Illusion. „Wir sind nur – wenngleich wundervoll entworfene – Maschinen, die rein deterministisch arbeiten“, äußert er. Was das etwa für die Beurteilung von Straftätern bedeutet, erklärt er in einem Vortrag auf dem Kongress der DGKN.

Ein weiterer Schwerpunkt der 56. Jahrestagung der DGKN beschäftigt sich mit neuen Einsatzgebieten der „funktionellen Bildgebung“. Diese Verfahren verbildlichen die Organisation des Gehirns: „Mittels Magnetresonanztomographie (MRT) oder Positronen-Emissionstomographie (PET) veranschaulichen wir, wie sich Sprache im Kindesalter entwickelt oder wie sie sich nach einem Schlaganfall reorganisiert.“, sagt Professor Dr. med. Roland Sparing, wissenschaftlicher Sekretär des DGKN-Kongresses. „Die funktionelle Bildgebung ermöglicht uns mittlerweile sogar vorherzusagen, wie die Rehabilitation nach einem Schlaganfall verlaufen wird“, so Sparing, Oberarzt an der Klinik für Neurologie an der Uniklinik Köln. Auf dieser Basis lassen sich gezielt geeignete rehabilitative Methoden auswählen.

Auf dem Kongress berichten Neurophysiologen auch über neueste Entwicklungen zum Einsatz der PET bei Hirntumoren und zur Diagnose der Alzheimer-Erkrankung. Zum Thema Früherkennung der Demenz konnte die DGKN den renommierten britischen Neurologen Professor Richard Frackowiak als Referenten gewinnen. Darüber hinaus stellt Professor Ray Dolan aus London Methoden vor, die Vorgänge im Gehirn sichtbar machen. „Wir sind sehr stolz, das Kongress-Programm mit diesen Koryphäen auf dem Gebiet der Hirnforschung abrunden zu können“, so Fink, Präsident der DGKN und Direktor der Klinik für Neurologie der Uniklinik Köln.

Wie auch in den Vorjahren bietet die DGKN mit dem Richard-Jung-Kolleg ein bewährtes Fortbildungsprogramm an. Neu sind hingegen spezielle Veranstaltungen für Studierende. „Mit dem Angebot wollen wir dem Nachwuchs die Vielfalt der Neurophysiologie nahebringen und ihnen ein Gespräch mit etablierten Neurophysiologen ermöglichen.“, so Fink. Für Studierende, PJler und Doktoranden ist die Teilnahme am wissenschaftlichen Tagungsprogramm kostenfrei. Weitere Informationen zur 56. Jahrestagung der DGKN stehen im Internet unter www.dgkn2012.de.

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