RNA-Interferenz als Therapie von morgen? – Stand der Forschung und aktuelle Entwicklungen

Zudem können RNA-basierte Wirkstoffe auf regulatorische RNA einwirken, die in verschiedenen Krankheiten eine zentrale Rolle spielen, jedoch als Zielstrukturen für Medikamente bisher nicht zugänglich waren. Dies sind viel versprechende Techniken, deren Wirkmechanismen größtenteils durchschaut sind, deren klinische Anwendung jedoch noch in den Kinderschuhen steckt.

Dieses und viele weitere aktuelle medizinische Themen werden auf der Tagung „Frontiers in Medicinal Chemistry“ der Fachgruppe Medizinische Chemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) vom 15. bis 18. März in Marburg erörtert.

Heute ist eine Vielzahl regulatorisch wirksamer und krankheitsrelevanter RNA-Moleküle bekannt. Diese können sowohl als Wirkstoff, als Zielmolekül oder auch als Biomarker fungieren. Ein möglicher therapeutischer Ansatz in der Medizin ist die Nutzung eines zellulären Mechanismus, der als RNA-Interferenz (RNAi) bezeichnet wird. Dabei werden synthetische und hochspezifische RNA-Fragmente, sogenannte small interfering RNA (siRNA), in die Zellen geschleust.

Sie binden an die entsprechende mRNA, den Bauplan für das unerwünschte Protein, und verhindern damit dessen Entstehung. Ein Hindernis bei der therapeutischen Anwendung stellt jedoch die Tatsache dar, dass siRNAs, bzw. Nukleinsäuren generell, Zellmembranen aufgrund ihrer negativen Ladungen nur schwer überwinden können. Außerdem wird RNA im Blut sehr schnell enzymatisch abgebaut und kann über verschiedene Mechanismen Nebenwirkungen verursachen.

Deshalb sind chemische Modifikationen der einzubringenden RNA essenziell, um diese Probleme zu entschärfen. Ein bedeutender Meilenstein war die Entwicklung von Locked Nucleic Acids (LNA) unter anderem durch Professor Dr. Jesper Wengel, University of Southern Denmark. Diese Umformung der RNA-Moleküle erhöht deren Stabilität und schützt sie vor dem Abbau durch körpereigene Enzyme. Zur Eröffnung des wissenschaftlichen Programms wird Wengel den ersten Vortrag halten.

Neue Chancen in der RNA-Therapie bieten außerdem moderne Drug-Delivery-Systeme, die siRNA oder therapeutisch wirksame Nukleinsäuren zu ihrem Wirkort und in die Zellen bringen. Außerdem erscheint die Kombination mit niedermolekularen Wirkstoffen vielversprechend. Diesen und weiteren Themen geht die erste Session der Konferenz auf den Grund. Weltweit führende Nukleinsäurechemiker wie Dr. Mutiah Manoharan, Anylam Pharmaceuticals, Cambridge, USA, und Entwickler der ersten Stunde wie Dr. Henrik Ørum, Roche Innovation Center Copenhagen, diskutieren das aktuelle Thema.

Doch auch weitere akute Fragestellungen der medizinischen Chemie wie Medikamente gegen Viren- und andere Infektionen, steuerbare Wirkstofffreisetzung, Bekämpfung von Neurodegeneration sowie neueste Analysemethoden werden auf der Konferenz in Marburg beleuchtet.

Weitere Informationen finden sich auf der Konferenz-Homepage der GDCh: http://www.gdch.de/medchem2015.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) gehört mit rund 31.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 27 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Fachgruppe Medizinische Chemie. Sie besteht seit 1971 und hat ca. 800 Mitglieder. Diese sind in Hochschulinstituten, anderen Forschungseinrichtungen und in der pharmazeutischen Industrie tätig. Es sind vor allem Chemiker und Pharmazeuten, aber auch Informatiker, Verfahrensingenieure u.a. Die Fachgruppe hat den Brückenschlag zwischen Chemie einerseits und Biologie, Medizin und Pharmazie andererseits zum Ziel.

http://www.gdch.de

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Dr. Renate Hoer GDCh

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