Flexibel lernen im virtuellen Mikroskopiersaal

Das Portal für webbasiertes Mikroskopieren stellt den Studierenden eine umfangreiche Sammlung an Präparaten zur Verfügung. © Fraunhofer IIS<br>

Doch die Öffnungszeiten der Mikroskopiersäle und die Anzahl der Vergrößerungsgeräte sind begrenzt. Dank einer neuen Online-Plattform können Studenten jetzt flexibler und unabhängiger lernen.

Unter dem Mikroskop liegt das Präparat einer Leber. Die Studentin analysiert gerade hochkonzentriert die Struktur des Gewebes, als der Universitäts-Mitarbeiter sie bittet, zum Ende zu kommen – der Saal schließt gleich. Eine Situation, die vielen Studierenden bekannt vorkommen dürfte. Denn das Untersuchen von Präparaten ist ein wichtiger Bestandteil des Studiums, um die Theorie aus der Vorlesung in der Praxis zu erproben und zu vertiefen.

Üblicherweise erhält jeder Student zu Semesterbeginn einen Kasten mit 50 bis 100 Präparaten, mit denen er selbstständig arbeiten kann. Dazu ist er jedoch an die universitäre Infrastruktur gebunden. Ein weiterer Nachteil: »Naturgemäß ist jedes Präparat individuell – jeder Student sieht also etwas anderes unter dem Gerät«, sagt PD Dr. Thomas Wittenberg vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen.

Forscher des IIS, des Universitätsklinikums Erlangen sowie der Universität Erlangen-Nürnberg haben jetzt ein Zusatzangebot geschaffen, das Studenten rund um die Uhr zur Verfügung steht: eine Plattform für webbasiertes Mikroskopieren. Die Projektpartner haben dazu bislang 200 Proben in 40-facher Vergrößerung digitalisiert und in einer Datenbank angelegt. Dort können die Studenten Präparate nach bestimmten Stichpunkten – etwa Körperregionen oder Krankheitsbefunden – recherchieren. Per Mausklick lassen sich die Aufnahmen unter bestimmten Vergrößerungen (5x, 10x, 20x, 40x) betrachten oder stufenlos zoomen. Bildausschnitte, die relevante Gewebeveränderungen oder andere Besonderheiten aufweisen, sind interaktiv markiert.

Knackpunkt der Entwicklung: Damit auch kleinste Details in den Präparaten gut erkennbar sind, müssen die Aufnahmen in sehr hoher Auflösung zur Verfügung stehen. Die Bilddateien erreichen so schnell eine Größe von bis zu fünf GByte – bei einem Standard-DSL-Anschluss würde das Herunterladen zur Geduldsprobe. Die Forscher wenden deshalb einen Kunstgriff an: »Damit die Studenten effektiv mit diesen riesigen Daten arbeiten können, unterteilen wir die Aufnahmen in einzelne Bildkacheln. Je nachdem, welchen Bildausschnitt der Nutzer gerade ansieht, müssen nur die entsprechenden Kacheln in der notwendigen Auflösung übertragen werden. Man kann sich das ähnlich vorstellen wie bei Google Earth«, erklärt Wittenbergs Kollege Sven Friedl. Je nach Bildausschnitt wird die Auflösung pyramidenförmig Schritt für Schritt reduziert: Je größer der Bildausschnitt, desto geringer die Auflösung und umgekehrt.

Die Plattform soll das »richtige« Mikroskopieren nicht ersetzen, sondern ergänzen – darauf legt Friedl Wert: »Wir wollen den Studenten die Möglichkeit bieten, flexibler als bisher lernen zu können. Außerdem steht ihnen mit unserer Datenbank eine viel umfangreichere Sammlung an Präparaten zur Verfügung.«

Dass der Bedarf für ein solches Angebot vorhanden ist, zeigte der erste Testlauf: Seit dem Sommersemester 2011 können Studenten der Universität Erlangen die Plattform ergänzend zu den Pathologie-Vorlesungen nutzen. Mit der Online-Anmeldung zur Vorlesung erhalten sie einen passwortgeschützten Zugang zur Datenbank, anschließend erfolgt eine kursbegleitende Evaluation des Lernerfolges und der Zufriedenheit der Studierenden. »Die Rückmeldungen sind durchweg positiv«, freut sich Friedl. Zukünftig soll die Kooperation auf andere Institute und Universitäten ausgeweitet werden. Vom 16. bis 19. November präsentieren die Projektpartner auf der Messe MEDICA in Düsseldorf erstmals die Online-Plattform sowie weitere Lösungen für eine automatisierte Auswertung mikroskopischer Bilddaten am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 10, Stand F05.

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Dr.-Ing. Thomas Wittenberg Fraunhofer Mediendienst

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