Experimentieren mit virtuellen Zellen

Es ist winzig, aber enorm wichtig für die Industrie: das stäbchenförmige Bakterium Clostridium acetobutylicum. Aus Zucker macht es Butanol, einen Alkohol, der angesichts knapper Rohstoffe als Biosprit verstärkt in Frage kommt. Wie die Bakterien diesen wertvollen Stoff produzieren und welche Bedingungen für sie dabei optimal sind, wollen deutsche, britische und niederländische Wissenschaftler nun genau ermitteln – per Computersimulation.

Aus einer Vielzahl von Daten soll ein virtuelles Modell des Bakteriums aufgestellt werden. Statt im Labor können die Forscher dann am Rechner beobachten, wie die Mikroorganismen auf Veränderungen in der Umwelt reagieren. Systembiologie heißt dieser Ansatz, bei dem komplexe Lebensprozesse mathematisch simuliert werden. Außer den Forschungsarbeiten zum Bakterium Clostridium acetobutylicum unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in einem europäischen Förderprogramm zur Systembiologie zehn weitere Projekte. Insgesamt stellt das BMBF dabei rund elf Millionen Euro zur Verfügung.

Die Systembiologie ist eine junge Disziplin, an die Wissenschaft und Industrie gleichermaßen große Hoffnungen knüpfen. Computersimulationen sollen langwierige Experimente teilweise ersetzen. Dieser Ansatz wird von Unternehmen aus der Biotechnologie-Branche bereits genutzt, um Produktionsprozesse zu verbessern. Auch Pharmaunternehmen hoffen darauf, beispielsweise toxikologische Untersuchungen durch Computersimulationen zu ergänzen und dadurch Medikamente schneller entwickeln zu können. Landwirtschaft, Ernährung und Chemie sind weitere Anwendungsbereiche.

Noch steht der Forschungszweig eher am Anfang. Schon um Computermodelle einfacher Lebewesen – wie Bakterien – zu erstellen, bedarf es riesiger Mengen Daten, die in Experimenten gewonnen und in mathematische Funktionen übersetzt werden müssen. In der Systembiologie arbeiten Biologen, Mediziner, Mathematiker, Informatiker und Ingenieure eng zusammen. Die Forscher hoffen, dass die Systembiologie in Zukunft Computermodelle von Organen oder sogar ganzen Organismen möglich macht.

Um die Entwicklung der Systembiologie weiter voranzutreiben, hat das BMBF das europäische Förderprogramm „Systembiologie an Mikroorganismen – SysMO“ gestartet. Auf Initiative des BMBF finanzieren Forschungs- und Fördereinrichtungen aus Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen, Österreich und Spanien elf herausragende grenzübergreifende Forschungsprojekte. Die Förderung, die jetzt begonnen hat, läuft drei Jahre und hat ein Gesamtvolumen von 28 Millionen Euro. Neben dem BMBF ist der britische Forschungsrat für Biologie und Biotechnologie (BBSRC) mit ebenfalls elf Millionen Euro der größte Geldgeber. Insbesondere Deutschland und Großbritannien haben in der Systembiologie bereits eine herausgehobene Stellung, von der europäische Wissenschaftler in den Verbundprojekten profitieren können. An allen elf Projekten sind deutsche Forscher beteiligt, drei Verbünde werden von deutschen Wissenschaftlern koordiniert. Das Interesse ist stärker als anfangs erwartet: So haben sich im Nachhinein auch Wissenschaftler aus der Tschechischen Republik, aus der Schweiz und aus Frankreich dem Programm angeschlossen.

Das Programm SysMO wird im Auftrag des BMBF vom Projektträger Jülich koordiniert.

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