281.200 EUR für Sprachforschungsprojekt in Nordamerika

Die VolkswagenStiftung hat den beiden Erfurter Sprachwissenschaftlern Prof. Dr. Christian Lehmann und Dr. Johannes Helmbrecht 281.200 Euro für ihr Forschungsprojekt zur Dokumentation der vom Aussterben bedrohten Sioux-Sprache Hocank bewilligt. Das Projekt läuft über die Dauer von drei Jahren im Rahmen des Förderprogrammes „Dokumentation bedrohter Sprachen“ der Stiftung.

Der Sioux-Stamm der Hocank Indianer gehört zu einer Sprachfamilie mit 18 verschiedenen Sprachen. Die Hocanks leben in Wisconsin und Nebraska. Von den rund 5000 eingetragenen Stammesmitgliedern in Wisconsin sprechen lediglich noch 200, vorwiegend ältere Indianer, die Stammessprache. „Um dem drohenden Verlust an Identität für den Stamm entgegenzusteuern, hat man vor Ort eine Organisation gegründet, die versucht, Sprache und Kultur zu erhalten und zu revitalisieren“, berichtet Dr. Johannes Helmbrecht, der bei einem Forschungsaufenthalt in Chicago auf die Sprache gestoßen ist. „Als Sprachlehrer konnten ältere Indianer aktiviert werden, allerdings können diese die Grammatik der Sprache nicht erklären“. Vernünftiges Lehrmaterial werde gebraucht und ein Sprachwissenschaftler, der den Sprachlehrern vor Ort die Grammatik vermittelt. Dies soll auch ein Bestandteil des Projekts sein, für das die Erfurter Wissenschaftler einen zusätzlichen Mitarbeiter und studentische Hilfskräfte gewinnen wollen.

Helmbrecht bietet an der Universität seit dem Wintersemester einen Einführungskurs in die Hocank-Sprache an, in dem sieben Studierenden des BA-Studiengangs ein Einblick in die Struktur einer außereuropäischen Sprache vermittelt werden soll. Er hofft, diese Studenten in das Projekt einbinden zu können, denn die Dokumentation der Hocank-Sprache, die Aufbereitung und Übersetzung ins Englische, wird eine umfangreiche Fleißarbeit erfordern. Es gilt Tonbänder und Videos auszuwerten, die zuvor in Feldforschung vor Ort aufgezeichnet werden müssen. Insbesondere werden die Sprachwissenschaftler dabei die Konversation unter den Stammesangehörigen analysieren.

Für Prof. Dr. Christian Lehmann, der sich bislang vorwiegend mit
lateinamerikanischen Sprachen beschäftigt hat, ist das Projekt eine spannende neue Herausforderung. 50 verschiedene Sprachfamilien gäbe es in Nordamerika, wobei damit keine Dialekte gemeint seien. „300 Sprachen waren es einmal zu Kolumbus’ Zeiten gewesen. Der größte Teil davon ist heute ausgestorben und auch nicht dokumentiert.“ Sprachen, deren Namen z.T. auch aus den alten Karl-May-Büchern bekannt sind, werden schon nicht mehr gesprochen.

Lehmann hat das Programm der VW-Stiftung gemeinsam mit anderen Sprachwissenschaftlern vor acht Jahren angeregt. Ende diesen Jahrhunderts – so befürchten die Wissenschaftler – dürften rund zwei Drittel der derzeit weltweit gesprochenen 6500 Sprachen verschwunden sein. 90 Prozent der Sprachen werden schon heute von jeweils nicht einmal mehr 5000 Menschen beherrscht – zum Teil von einem Dutzend oder weniger Personen. Die Förderinitiative „Dokumentation bedrohter Sprachen“ der VW-Stiftung hat zum einen das Ziel, den Blick der Wissenschaft – und darüber hinaus auch der Öffentlichkeit – auf diese Entwicklung zu lenken. Mit der Dokumentation soll verhindert werden, dass Sprachen verschwinden, ohne im kulturellen Gedächtnis der Welt eine Spur zu hinterlassen. Derzeit laufen zwölf Projekte zu bedrohten Sprachen, neun neue hat die Stiftung jetzt mit einem Fördervolumen von insgesamt 2,9 Millionen Euro bewilligt. „Wir Sprachwissenschaftler sind für die großzügige Förderung sehr dankbar. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit“, so Lehmann.

Kontakt:
Dr. Johannes Helmbrecht
Tel.: 0361-737 4202
E-Mail: johannes.helmbrecht@uni-erfurt.de

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Jens Panse idw

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