NEURON berichtet: RUB-Biologen entdecken zweiten Signalweg in Riechzellen

Molekulare Prozesse der Reaktion einer Riechzelle. Der neue Befund: Ein anderer Duft (Duft B) kann an der selben Zelle einen zweiten Signalweg (PI3-Kinaseweg) anschalten, der die Geruchswahrnehmung von Duft A blockiert.

Ich kann dich nicht riechen! Manchmal doch, denn Riechzellen sind durchaus in der Lage, bestimmte Gerüche auszublenden. RUB-Biologen haben einen bisher unbekannten zweiten Signalweg in Riechzellen entdeckt. Wird er durch bestimmte Duftstoffe aktiviert, hemmt das die Wahrnehmung anderer Düfte.

Was tun wenn’s stinkt? Die Nase zuhalten ist den Forschungsergebnissen Bochumer Biologen zufolge nicht die einzige Möglichkeit, Gerüche auszublenden. Dipl. Biol. Marc Spehr und Dr. Christian Wetzel vom Lehrstuhl für Zellphysiologie (Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt) und Barry W. Ache (State University, Florida) haben einen bisher unbekannten zweiten Signalweg in Riechzellen entdeckt. Wird er durch bestimmte Duftstoffe aktiviert, hemmt das die Wahrnehmung anderer Düfte – zwei Düfte heben einander auf. Die Zeitschrift NEURON berichtet in ihrer heutigen Ausgabe über das bahnbrechende Forschungsprojekt.

Sehen, wie die Zelle riecht

Die Riechzellen in der Riechschleimhaut sind hochgradig spezialisierte Duftsensoren: Sie ragen mit ihren Fortsätzen antennenartig in die Nasenhöhle und können dort Tausende verschiedener Geruchsmoleküle identifizieren und unterscheiden. Bisher gingen die Forscher davon aus, dass Duftstoffe an spezielle Rezeptoreiweiße andocken und eine biochemische Reaktionskette auslösen, die die Zelle immer erregt. Am Ende dieser Signalkaskade fließt Calcium aus dem Nasenschleim durch die Zellmembran und erhöht die Calciumkonzentration in der Zelle. Indem die Bochumer Forscher die Aktivität der Riechzellen sichtbar machten, fanden sie nun einen zweiten, hemmenden Signalweg.

Erregende und hemmende Signalwege

Um einzelne Neurone zu untersuchen, mussten sie zunächst mit Hilfe von Enzymen Zellen aus Stücken der Riechschleimhaut herauslösen. Die so isolierten Riechzellen beluden sie mit einem Indikatorfarbstoff (Fura-2), der Calcium anzeigt: Bei erhöhter Konzentration leuchtet er stark. Mit einer Spezialkamera und einem hoch auflösenden Mikroskop konnten die Forscher diese Leuchtkraftunterschiede als Reaktion der Sinneszellen auf eine Vielzahl von Düften messen. So gelang es auch, Duftstoffe zu identifizieren, die einen zweiten bisher unbekannten Signalweg (PI3-Kinaseweg) in Riechzellen aktivieren. Er hemmt die erregende Signalkaskade. Eine Mischung aus einem erregenden und einem hemmenden Duftstoff erzeugt an der Riechzelle keine Erregung mehr. Blockiert man den neu entdeckten Signalweg, kann die Zelle vorher geruchlose Duftsubstanzgemische plötzlich wahrnehmen.

Bisher unterschätzt: die Leistung der Riechzellen

Diese Befunde zeigen erstmals, dass Riechzellen bereits in der Nasenschleimhaut beginnen, komplexe Dufteindrücke zu verrechnen. Eine solche Rolle hatte die Fachwelt bislang, abgesehen von der Retina (Netzhaut), ausschließlich höheren Gehirnregionen zugeordnet. Von ihren Ergebnissen versprechen sich die Bochumer Wissenschaftler neue Untersuchungsansätze für die sensorischen Leistungen der Riechneurone. Damit ist auch ein weites Feld für industrielle Anwendungen eröffnet. So könnte man z.B. stinkende Düfte in ihrer Wirkung auslöschen, ohne den Geruchssinn vollständig zu blockieren.

Titelaufnahme

Barry W. Ache; Hanns Hatt; Marc Spehr; Christian Wetzel: 3-Phosphoinositides modulate cyclic nucleotide signaling in olfactory receptor neurons. In: Neuron, Heft 5/2002 vom 28.02.2002, S. 1-20

Weitere Informationen

Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt, Lehrstuhl für Zellphysiologie, Fakultät für Biologie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-26792, Fax: 0234/32-14129, E-Mail: Hanns.Hatt@ruhr-uni-bochum.de

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Dr. Josef König idw

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