Entdeckung eines Ionenkanaldefektes als Ursache einer schweren neurologischen Erkrankung
Publikation in Nature Genetics – Internationale Kooperation des Gießener Instituts für Humangenetik
Wissenschaftlern des Instituts für Humangenetik der Justus-Liebig-Universität Gießen ist es im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit mit Kollegen in Los Angeles, Scottsdale, Lexington und Paris gelungen, ein bestimmtes Gen zu identifizieren, das bei einer schweren neurologischen Erkrankung mutiert (verändert) ist. Die Krankheit zeichnet sich durch Degeneration des Kleinhirns, Laufstörungen (Ataxie) und in einigen Fällen durch geistige Retardierung aus. Das veränderte Gen enthält den „Bauplan“ für Kaliumkanalmoleküle, die insbesondere für die normale Funktion der Neuronen des Kleinhirns erforderlich sind. Die bei Patienten aus zwei großen Familien nachgewiesenen Mutationen verursachen eine Störung des Ionenhaushaltes der Zellen. Dies führt zu Funktionsstörungen sowie einer höheren Anfälligkeit der Neuronen gegenüber oxidativem Stress. Als Folge gehen die Neuronen langsam zu Grunde, sie „degenerieren“.
Die Entdeckung einer solchen Ionenkanalstörung bei einer neurodegenerativen Erkrankung wie der Ataxie ist insbesondere deshalb von großem Interesse, weil sie Anhaltspunkte auch für die Entschlüsselung anderer häufiger Krankheitsbilder liefern könnte. Bei anderen häufigen neurologischen Erkrankungen wie dem Morbus Parkinson („Schüttellähmung“) und der Alzheimer Demenz scheint die Funktion von Ionenkanälen indirekt ebenfalls gestört zu sein, ohne dass dieser Befund bisher genauer untersucht und interpretiert worden ist.
Mit ihrer Entdeckung konnte die Wissenschaftlergruppe (aus Gießen waren PD Dr. Dagmar Nolte und Professor Dr. Ulrich Müller, Direktor des Humangenetischen Instituts, beteiligt) direkt einen Zusammenhang zwischen gestörter Ionenkanalfunktion und Neurodegeneration herstellen. Nicht zuletzt wegen möglicher therapeutischer Konsequenzen bei der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen konnte die Arbeit kürzlich in der renommierten Zeitschrift Nature Genetics publiziert werden.
(Online Referenz: Waters et al., Mutations in the voltage-gated potassium channel KCNC3 cause degenerative and developmental central nervous system phenotypes, Nature Genetics DOI10.1038/ng1758)
Kontakt:
Prof. Dr. Ulrich Müller
Institut für Humangenetik
Schlangenzahl 14
35392 Gießen
Telefon: 0641/99-41601
Fax: 0641/99-19959
E-Mail: ulrich.mueller@humangenetik.med.uni-giessen.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/pdf/ng1758.pdf http://www.uni-giessen.de/Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation
Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…
Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus
Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…
Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit
Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…