Therapeutisches Klonen – Überschreitet die Wissenschaft ihre Grenzen?


Dr. Anja Haniel, seit 1995 beim Institut für Technik-Theologie-Naturwissenschaften e.V. an der Ludwig-Maximilians-Universität München, greift im neuen Schwerpunktheft „Biowissenschaften“ (3/2001) der Wissenschaftszeitschrift UNIVERSITAS die derzeitige Debatte um das Thema Klonen auf. Wissenschaftler, Politiker und Philosophen diskutieren mit großer Leidenschaft die Frage, ob das therapeutische Klonen von Embryonalzellen erlaubt werden soll. Das englische Oberhaus hat kürzlich erst dem Klonen von Embryonen zu therapeutischen Zwecken zugestimmt. Dr. Haniel erläutert, warum die Wissenschaftler so große Hoffnungen in dieses Verfahren setzen: Das therapeutische Klonen soll helfen, eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheiten zu heilen oder deren Folgen zu lindern.

Niemand bestreitet, dass diese Ziele nicht nur medizinisch sinnvoll, sondern auch gesellschaftlich wünschenswert und ethisch legitim sind. Umstritten ist allerdings der Verfahrensweg selbst, da als „Rohstoff“ für die Erzeugung von Zell- oder Organersatz aus entkernten Eizellen und Körperzellen geklonte menschliche Embryonen dienen. Aus deren innerer Zellmasse lassen sich so genannte embryonale Stammzellen isolieren, die nicht nur in der Kulturschale unbegrenzt vermehrungsfähig sind, sondern auch das Potenzial haben, sich unter geeigneten Bedingungen in alle Zellarten des menschlichen Körpers weiterzuentwickeln. Wenn es gelingt herauszufinden, welche Faktoren etwa die Entwicklung einer embryonalen Stammzelle hin zu einer Nerven- oder Leberzelle steuern, könnte man diesen Vorgang in Kultur nachahmen und so die gewünschten Zellen züchten.

Vorrangig dreht sich die derzeitige ethische Diskussion um die Frage, ob aussichtsreiche Forschungsprojekte und denkbare medizinische Anwendungen die Rechtfertigung dafür geben, Embryonen zunächst zu erzeugen, um sie dann für medizinische und wissenschaftliche Zwecke zu gebrauchen.

Im Abwägen der Argumente von Befürwortern und Gegnern des Klonens kommt Dr. Haniel zu dem Schluss, dass beide Seiten sich wohl die Waage halten, so lange der Status des Embryos und die ihm zuzusprechende Menschenwürde strittig seien. In jedem Fall sei die Problematik des therapeutischen Klonens exemplarisch für viele andere aktuelle Entwicklungen in den Lebenswissenschaften. Große medizinische Hoffnungen stünden zahlreichen ethischen Bedenken gegenüber; die Folgen denkbarer technischer Fortschritte ließen sich oft nur unzureichend abschätzen. Das Für und Wider werde Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik weit über das derzeitige „Jahr des Lebenswissens“ hinaus beschäftigen, so Haniel.

Weitere Beiträge im Schwerpunkt „Biowissenschaften“ der UNIVERSITAS stammen von der Biologin und Wissenschaftsjournalistin Claudia Eberhard-Metzger („Die Macht der Gene“), von Axel W. Bauer von der Universität Heidelberg („Ethik in der Biomedizin“), von Dr. Britta Urmoneit („Was ist Gentechnik? Methoden und Werkzeuge der Molekularbiologie“), von Wolfram Henn vom Institut für Humangenetik der Universität des Saarlands („Sind wir alle erbkrank?“) und von Dr. Andreas Schrell und Nils Heide, die über die Patentierung genetischer Information schreiben. Die monatlich erscheinende Wissenszeitschrift UNIVERSITAS ist eine traditionsreiche Publikation, die seit 1946 den Dialog zwischen Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften fördert. Im Januar 2001 startete sie mit einem Relaunch mit dem Ziel, „Orientierung in die Wissenswelt“ zu bringen.

Das Institut TTN ist eine institutionell selbstständig arbeitende Einrichtung der Ludwig-Maximilians-Universität München und hat das Ziel, den interdisziplinären Dialog zu ethischen Herausforderungen in Naturwissenschaften und Technologieentwicklung zu fördern.

Weitere Informationen:
Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften e.V.
Marsstr. 19, 80335 München, Tel.: 089/5595-600, -601, -607, Fax: 089/5595-608
Zeitschrift UNIVERSITAS: www.wissenschaftliche-verlagsgesellschaft.de/universitas

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