Humangenomprojekt: Erste Ergebnisse bei der Suche nach ’Krankheits-Genen’ im Modell Maus


Mit Vorlage der Arbeitsversion des menschlichen Genoms tritt das Humangenomprojekt in eine neue Phase der Funktionsanalyse der Gene, an der sich auch das Deutsche Humangenomprojekt massiv beteiligt. Ein Projekt, das die Funktionen der Gene am Modellorganismus Maus studiert, legt jetzt erste Ergebnisse vor.

Mit der Bekanntgabe der Sequenz von über 90 Prozent des menschlichen Genoms Ende Juni 2000 ist das Humangenomprojekt in eine neue Phase der Entdeckung der Gene und der Aufklärung ihrer Funktionen eingetreten. Im besonderen Interesse der Wissenschaftler und Mediziner stehen dabei jene Gene, die bei der Entstehung von Krankheiten eine Rolle spielen.
Im Deutschen Humangenomprojekt (DHGP) hat man schon frühzeitig die Bedeutung dieser Thematik erkannt und fördert seit längerer Zeit die Funktionsanalyse von Genen. Eine wichtige Rolle hierbei spielen Modellorganismen wie die Fruchtfliege (D. melanogaster), der Wurm (C. elegnas) oder die Maus. Gerade die Maus eignet sich gut als Modellorganismus, weil sie in ihrer Entwicklung und ihrem Stoffwechsel dem Menschen sehr ähnlich ist. Weiterhin erlaubt die Erforschung von Mutationen in einzelnen Genen Rückschlüsse auf ihre Funktion.

Das DHGP fördert daher das international angelegte Forschungsprojekt ’ENU-mouse mutagenesis screen’. Es verfolgt das Ziel, Mutationen in einzelnen Genen der Maus und deren Folgen für den tierischen Organismus zu erforschen. Das Projekt läuft an dem GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit GmbH und dem Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität in München und wird von Martin Hrabé de Angelis von der GSF koordiniert.
Ersten Ergebnisse dieser Forschungsarbeit werden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht (Nature Genetics, Vol. 25, August 2000).

Im Mittelpunkt dieser Arbeiten stehen Mäuse mit mutiertem Erbgut. Die Tiere werden mit der Substanz Ethyl-Nitroso-Harnstoff (ENU) behandelt, die in der DNA Punktmutationen erzeugt, also den Austausch einzelner Basenpaare. Dadurch können die betroffenen Gene ihre Funktion verlieren. Viele Erbkrankheiten des Menschen sind auf Punktmutationen zurückzuführen.

Die Nachkommen dieser Mäuse untersucht man auf genetisch bedingte Krankheiten. Wie bei einer genauen klinischen Untersuchung am Menschen erstellt man ein Blutbild, misst Parameter des Immunstatus, prüft Skelett und Gehör, testet die Augen auf grauen oder grünen Star. Für jede Maus werden Daten aus 120 Untersuchungen erhoben. Bisher sind aus der ’Münchner Mausklinik’ über 180 Mauslinien mit erblich bedingten Krankheiten hervorgegangen – zum Beispiel Erkrankungen des Skeletts, Herz-Kreislauf-Defekte, Allergien und Störungen des Immunsystems. Mehr als 200 weitere Linien werden derzeit auf die genetische Grundlage ihrer Veränderung geprüft. Damit steht in Deutschland an der GSF in München eine der größten Sammlungen an Maus-Modellen für Erbkrankheiten zur Verfügung.

Auch im nächsten Schritt, der Isolierung der für die Krankheiten verantwortlichen Gene, gibt es bereits Erfolge: So wurde ein Gen isoliert, das in mutierter Form bei der Maus zu grauem Star führt. Auch Menschen – so weiß man inzwischen – haben dieses Gen, dessen Mutation ebenso grauen Star hervorruft. Man konnte also dem Gen eine Funktion zuordnen und für diese Erkrankung ein Modell entwickeln, an dem sich nun weiter in Richtung Diagnose und Therapie forschen lässt.

Das Projekt findet international höchste Beachtung und hat eine Welle ähnlicher Vorhaben ausgelöst. So investiert das amerikanische National Institute of Health 45 Millionen Dollar, um vergleichbare Projekte zu starten – etwa das Zehnfache dessen, was den deutschen Forschern zur Verfügung steht. Auch in Amerika arbeitet man übrigens mit Mauslinien aus München, denn es besteht ein akuter Mangel an geeigneten Modellen zur Aufklärung von Krankheiten auf molekularer Ebene.
Weitere Informationen über die Maus-Modelle und das Forschungsprojekt sind über das Internet abrufbar:
http://www.gsf.de/ieg/groups/enu-mouse.html.
http://www.dhgp.de/scientific/project/topics/organisms/index.html

Weitere Informationen finden Sie im WWW:

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Dr. Jörg Wadzack

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