Nullsummenspiel: Eine Studie Kasseler Volkswirtschaftler weckt Zweifel am Sinn der Förderprogramme

Grundlegende Zweifel an Sinn und Nutzen der Investitionsförderung des Bundes und der EU lässt eine Studie der Universität Kassel aufkommen. Nach den Modellrechnungen der Professoren Hans-Friedrich Eckey und Reinhold Kosfeld heben sich die positiven Wirkungen der besonders auf die neuen Bundesländer und einige strukturschwache Regionen des Westens konzentrierte Förderung durch negative Effekte in den Nachbarkreisen weitgehend wieder auf.

Kassel. Grundlegende Zweifel an Sinn und Nutzen der Investitionsförderung des Bundes und der EU lässt eine Studie der Universität Kassel aufkommen. Nach den Modellrechnungen der Professoren Hans-Friedrich Eckey und Reinhold Kosfeld heben sich die positiven Wirkungen der besonders auf die neuen Bundesländer und einige strukturschwache Regionen des Westens konzentrierte Förderung durch negative Effekte in den Nachbarkreisen weitgehend wieder auf. Ein „Nullsummenspiel“, wie Prof. Dr. Eckey betont: „Wenn eine Region gefördert wird, fällt die benachbarte zurück.“ So beläuft sich der volkswirtschaftliche Nettoeffekt der praktizierten Förderpolitik auf nicht mehr als 4 Prozent. „Das bedeutet“, sagen Eckey und Kosfeld, „dass 96 Prozent der Fördermittel aufgrund räumlicher Verlagerungseffekte volkswirtschaftlich ’verpuffen?“.

Die Kasseler Volkswirte haben in ihrer Untersuchung nicht nur wie viele andere vorangegangene die Wirkungen von Investitionsförderungen in den jeweiligen Fördergebieten untersucht, sondern in einer so genannten „erweiterten Wirkungskontrolle“ die nicht oder wesentlich geringer geförderten Nachbarregionen ebenfalls untersucht. Denn es kann zu räumlichen Verlagerungseffekten kommen: Unternehmen investieren nicht mehr in der Nichtförderregion B, sondern in der benachbarten Förderregion A. Dieser für B negative Prozess kann allerdings auch positive Rückwirkungen auf B haben, wenn zum Beispiel in B Vorprodukte für in A ansässige Betriebe hergestellt werden. Sie können die „Absaugeffekte“ allerdings in keiner Form kompensieren.

In ihren Modellrechungen zeigen Eckey und Kosfeld die Effekte vier verschiedener Szenarien für alle Wirtschaftsregionen Deutschlands. Die Annahme des Modells 1, in dem die Förderung der Region Eisenach um 100 Euro pro Einwohner reduziert ist, belegt mit seinen positiven Wirkungen auf die westlichen Nachbarregionen deutlich die These der Kasseler Wissenschaftler der durch die Förderung bewirkten Verschiebeeffekte. Eine zweite Modellrechung zeigt die Auswirkungen auf die Wirtschaftsregionen unter der Annahme, dass die Förderung gänzlich eingestellt wird: Beleg für das postulierte Nullsummenspiel, wenn man auf ganz Deutschland blickt.

Diese letztere wissenschaftlich eventuell gebotene Konsequenz dürfte politisch aber vermutlich nicht gewollt sein. Eckey und Kosfeld haben deshalb in zwei weiteren Szenarien die Auswirkungen ermittelt, falls die 5,76 Mrd. Euro, die in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2002 für Investitionsförderung ausgegeben wurden, nur auf die neuen Bundesländer verteilt würden und alternativ den Fall einer Verteilung der Mittel auf die Regionen allein nach dem Kriterium der relativen Armut unabhängig von ihrer geografischen Lage in Ost oder West. Bei aller wissenschaftlichen Zurückhaltung raten die Autoren offensichtlich zu dieser letzteren Variante. „Es darf nicht mehr auf die Lage ankommen, sondern allein auf die Stärke oder Schwäche der Wirtschaftsstruktur“, sagt Hans Eckey und verweist auf die relative Stärke von Regionen wie Leipzig oder Dresden.

Auswirkungen: Zum Beispiel Nordhessen

Naturgemäß lassen sich in den verschiedenen Modellen Gewinner und Verlierer ausmachen. So gehört Nordhessen mit der Wirtschaftsregion Kassel zu den traditionell geförderten Gebieten. Die ehemalige „Zonenrandlage“ war für Kassel ebenso positives Förderkriterium wie die Strukturkriterien heute. Zwar zeigen Eckeys und Kosfelds Modellrechnungen in einem Fall, dass Kassel sogar noch besser dastehen könnte, denn bei der modellhaft angenommen Verringerung der Förderung in der Region Eisenach würde die Bruttowertschöpfung in Kassel leicht steigen, in allen anderen Szenarien aber zurückgehen: relativ moderat, wenn die Förderung konsequent auf die neuen Bundesländer beschränkt oder ganz eingestellt wird, recht stark wenn das von den Wissenschaftlern präferierte Modell der Förderung strukturschwacher Regionen unabhängig von ihrer geografischen Lage angewandt würde. Für Hans Eckey eine einfache und logische Konsequenz. Kassel/Nordhessen vergleiche sich zwar gerne mit der auch bundesweit in der Spitzengruppe liegenden südhessischen Region Frankfurt, bundesweit stehe Nordhessen aber keinesfalls im unteren Bereich, was heißt: „Nordhessen ist nicht arm.“

Info

Universität Kassel
Prof. Dr. Hans-Friedrich Eckey
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Tel. (0561) 804 3038/-3045
E-mail: eckey@wirtschaft.uni-kassel.de

Universität Kassel
Prof. Dr. Reinhold Kosfeld
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Tel. (0561) 804 3084
E-mail: kosfeld@wirtschaft.uni-kassel.de

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Ingrid Hildebrand idw

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