Damit demenzerkrankte Menschen zu Hause leben können
Ambulant vor stationär. So lautet die Kurzformel bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Immer mehr Experten plädieren dafür, dass die Betroffenen nach Möglichkeit in ihrem vertrauten Umfeld betreut werden.
Eine Heimunterbringung sollte nur dann nötig werden, wenn es an geeigneten Alternativen fehlt. Damit ambulant wirklich vor stationär geht, müssen die pflegebedürftigen Menschen und ihre pflegenden Angehörigen unterstützt werden.
Pflegende Angehörige leisten den größten Teil der Pflege in Privathaushalten, und sie werden immer häufiger mit demenzerkrankten Familienmitgliedern konfrontiert. Um herauszufinden, welche Hilfe nötig ist, damit die Familien so lange wie möglich zusammenbleiben können, hat das Institut für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke jetzt ein Forschungsprojekt gestartet. Bei dem Projekt wird eine Methode gestestet, mit der der Hilfs- und Unterstützungsbedarf detailliert eingeschätzt werden soll.
Die Studie wird vom Bundesfamilienministerium und der Robert Bosch Stiftung gefördert. Das Instrument zur Einschätzung des Hilfs- und Unterstützungsbedarfs mit dem Namen CarenapD – darin steckt das Wort Care = Pflege – stammt ursprünglich aus Großbritannien, wo es schon seit einigen Jahren erfolgreich angewendet wird. Bei CarenapD handelt es sich um einen aufeinander aufbauenden Fragen- und Datenerhebungskatalog, ähnlich einer Check- oder Prüfliste. Die Auswertung der Formulare soll ein möglichst umfangreiches Bild der Situation und des daraus resultierenden Hilfebedarfs ergeben. „Der Vorteil eines standardisierten Instruments wie CarenapD liegt auch darin, dass die Ergebnisse relativ unabhängig von den Personen sind, die die Daten erheben, weil ja prinzipiell immer nach demselben Schema vorgegangen wird“, erläutert Christine Riesner vom Wittener Institut für Pflegewissenschaft.
Als Grundlage für die Arbeit mit CarenapD müssen die Datenerheber in ihre Arbeit eingewiesen werden. Entsprechende Schulungen hat es bereits gegeben. Zu den Teilnehmern gehörten Mitarbeitern von Pflegediensten, dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen, Beratungsstellen und Kommunen. Ab Anfang Dezember beginnt die konkrete Testphase. Dann wird CarenapD in zwei nordrhein-westfälischen Regionen angewendet: zum einen in Bochum als Beispiel einer städtisch strukturierten Kommune und zum anderen im eher ländlichen Minden. Rund 80 Familien sollen in die Studie einbezogen werden. Gefragt wird etwa nach der körperlichen Gesundheit des demenzerkrankten Angehörigen, seinen Essgewohnheiten und seiner geistigen Beweglichkeit, aber auch nach der allgemeinen Wohnsituation. Weitere Punkte betreffen die Situation des pflegenden Angehörigen und eine möglicherweise schon bestehende externe Unterstützung, etwa durch einen Pflegedienst oder eine Beratungsstelle.
Die Erhebungen haben zunächst zwei Ziele: Erstens sollen die in den ausgewählten Familien gewonnenen Erkenntnisse auch direkt dort fruchtbar gemacht werden. Muss beispielsweise die Ernährung des Demenzerkrankten umgestellt werden, benötigt er psychologische Hilfe, sollte die Wohnung anders eingerichtet werden? Das zweite Ziel betrifft auf einer allgemeineren Stufe generelle und möglichst repräsentative Aussagen über Personen mit Demenz im häuslichen Umfeld. Dazu werden die Wittener Forscher die Datensätze, die vorher anonymisiert worden sind, auswerten.
Christine Riesner vom Institut für Pflegewissenschaft: „Der ambulante Versorgungssektor ist bisher kaum auf das Problemfeld Demenz ausgerichtet.
Es mangelt an Unterstützungsstrukturen und ganz grundsätzlich an dem Wissen darüber, wie sie konkret beschaffen sein müssen, um dem Bedarf gerecht zu werden.“
Im Anschluss an das Pilotprojekt mit den Erhebungen in Bochum und Minden ist eine Ausweitung der Studien geplant. Dann sollen Städte im gesamten Bundesgebiet in die Datensammlungen einbezogen werden. Eine wissenschaftliche Analyse des Unterstützungsbedarfs von Demenzerkrankten, die vorrangig von Angehörigen betreut werden, gewinnt zunehmend an Relevanz. Mittlerweile sind in Deutschland rund eine Million Menschen an Demenz erkrankt. Pro Jahr kommen schätzungsweise 200.000 dazu. Etwa 60 Prozent der aktuell Betroffenen leben in Privathaushalten.
Kontakt: Christine Riesner,
02302/926-175, christine.riesner@uni-wh.de www.uni-wh.de/pflege http://wga.dmz.uni-wh.de/pflege/html/default/igns-77dc8m.de.html
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