Erstsemester: Trinkgelage statt Obst und Gemüse

Viel Sport, Obst und Gemüse, kein Alkohol und keine Zigaretten? An diese vier Regeln für das gesunde Leben halten sich gerade einmal zwei Prozent der Studierenden im ersten Semester an deutschen Universitäten. 18 Prozent hingegen folgen nicht einmal einer von ihnen. „Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die Zahl derer alarmierend hoch, bei denen sich die Risikofaktoren für die Gesundheit häufen“, sagt der Marburger Medizinpsychologe Professor Dr. Heinz-Dieter Basler vom Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg. Gemeinsam mit Dr. Stefan Keller, Professor an der University of Hawaii at Manoa, führte er jüngst eine repräsentative Studie an 1.262 Marburger Erstsemestern durch. Die anonyme Umfrage richtete sich an angehende Jurist(inn)en, Lehrer(innen) und Mediziner(innen).

62 Prozent der Befragten bekannten sich zu regelmäßigen „Saufgelagen“ (jeder zehnte hatte in den letzten dreißig Tagen sogar sechs oder mehr „binge drinking episodes“), 31 Prozent waren Raucher. Nur zwei von fünf gaben an, mindestens dreimal in der Woche jeweils zwanzig Minuten lang intensiv Sport zu betreiben. Nur einer von zwanzig hielt sich an die Gesundheitsregel, fünf Mal am Tag Obst oder Gemüse zu sich zu nehmen. „Bereitschaft zum Umdenken gibt es wenig“, so Basler, der auch dieses Merkmal untersuchte. „Insbesondere jene, bei denen mehrere Risikofaktoren vorliegen, haben selten vor, ihr Verhalten zu ändern.“

Selbst Mediziner, die ja eigentlich die schädlichen Folgen vor Augen haben müssten und zudem als gesellschaftliches Vorbild gelten sollten, leben nicht wesentlich gesünder als die Vergleichsgruppen. Doch immerhin: Sie rauchten und tranken weniger. Jurastudenten haben dagegen die größte Alkoholneigung bei geringster körperlicher Betätigung. Lehramtskandidaten traten durch die höchste Raucherrate und den niedrigsten Verzehr von Obst und Gemüse hervor.

Insbesondere das Rauchen, so ein weiteres Ergebnis der Studie, hängt offenbar eng mit der Neigung zu gesundheitsschädlichem Verhalten zusammen: Bei 94 Prozent aller Raucher waren mindestens zwei weitere Risikofaktoren anzutreffen. Doch nicht nur das Rauchen macht riskantes Verhalten wahrscheinlicher. Während Indikatoren wie Religion, Alter, Geschlecht, die Zugehörigkeit zu einer Burschenschaft oder die Tatsache, den Wehrdienst abgeleistet zu haben, „keinen systematischen Zusammenhang mit dem Vorliegen mehrerer Risikofaktoren bei einem Individuum“ nahe legen, ist es vielmehr eine bestimmte Wohnform, die mit einer Häufung von Risiken einhergeht: „Wer in einer Wohngemeinschaft lebt, hat statistisch gesehen die ungesündeste Lebensweise“, so Basler.

„Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Prävention ein viel höheres Gewicht zukommen muss“, folgert der Medizinpsychologe nun. Allerdings gebe es für Deutschland kaum Studien, die sich zum einen der Frage der Mehrfachrisiken widmen und zum anderen die Veränderungsbereitschaft hinsichtlich mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren untersucht. „Wer das Rauchen aufgibt“, sagt Basler, „um stattdessen mehr zu trinken, hat nichts gewonnen.“ Er fordert darum weitere Studien, die genau diese Wechselwirkungen untersuchen: „Erst dann können wir maßgeschneiderte Präventionsmaßnahmen entwickeln, die den Bedürfnissen von Personen mit mehreren Risikofaktoren entsprechen.“

Kontakt
Professor Dr. Dr. Heinz-Dieter Basler: Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin, Abteilung Medizinische Psychologie, Bunsenstraße 3, 35033 Marburg; Tel.: (06421) 28 66249, E-Mail: basler@staff.uni-marburg.de

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Thilo Körkel idw

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