Was die Tiefsee über die Sterne verrät

Findet eine Sternenexplosion in der Nähe unseres Sonnensystems (unten rechts) statt, werden strahlende Isotope freigesetzt, die sich auch auf unserer Erde ablagern. (Nicht maßstäbliche Collage) © NASA/ESA, Sankrit/Blair/Feige, CC BY 3.0

Wenn ein massereicher Stern am Ende seines Lebens explodiert, als sogenannte Supernova, produziert er unter anderem das langlebige Radionuklid 60Fe, das sich auf unserer Erde ablagert – falls die Supernova in der Nähe stattfindet. Das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Berlin zusammen mit einem internationalen Team vor wenigen Jahren nachgewiesen.

Nun konnten sie durch genaue Messungen eines weiteren Radionuklids, des Aluminiumisotops 26Al, noch einen Schritt weitergehen. Wie das Eisenisotop wurde auch 26Al in Tiefseesedimenten gemessen. Über die Kombination dieser zwei Isotope konnte erstmals gezeigt werden, dass Supernovae der Vergangenheit nicht nur auf der Erde nachgewiesen werden können, sondern damit auch Vorhersagen zu den Abläufen in sterbenden Sternen möglich sind.

Die Ergebnisse wurden soeben in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Aus astronomischen Beobachtungen weiß man, dass die langlebigen Radionuklide 26Al und 60Fe überall in unserer Galaxie verteilt sind. Hauptsächlich befinden sie sich aber dort, wo sich viele Sternexplosionen ereignen. Denn beide Radionuklide werden am Ende eines Sternenlebens produziert.

Wenn der Stern schließlich in einer Supernova explodiert, schleudert er diese Isotope in das umliegende interstellare Medium, dem Gas und Staub zwischen den Sternen. Dort zerfallen sie entsprechend ihrer Halbwertzeit: die Hälfte aller 26Al ist nach 0,7 Millionen Jahren, die Hälfte aller 60Fe-Atome nach 2,6 Millionen Jahren zerfallen. Dabei senden sie Strahlung aus, die man mit Weltraumdetektoren beobachten kann.

Sedimente in der Tiefsee speichern Informationen aus Sternen in der Sonnenumgebung

Doch woher weiß man, dass bestimmte auf der Erde gefundene Radionuklide aus den Explosionen von Sternen stammen? Bei dem Eisenisotop ist der Nachweis einfacher. 60Fe kommt natürlicherweise auf der Erde nicht vor, so dass sein Vorkommen eindeutig auf eine extraterrestrische Herkunft verweist.

Das 26Al wird dagegen kontinuierlich in unserer Erdatmosphäre gebildet. Kosmische Strahlung interagiert mit Atomen unserer Atmosphäre, zertrümmert diese, und zurück bleiben Bruchstücke, wie das 26Al.

Dass das 2016 gefundene und untersuchte Eisenisotop 60Fe aus einer etwa zwei bis drei Millionen Jahre zurückliegenden Supernova in der Nähe der Erde stammt, wiesen die Wissenschaftler*innen damals unter anderem durch Messungen von Tiefseesedimenten aus dem Indischen Ozean nach. Diese Sedimente lagern sich nur sehr langsam ab und sind daher wie ein zeitliches Archiv zu lesen.

Die gleichen Sediment-Archive, in denen sich auch die erwähnten 26Al Bruchstücke absetzten, gaben nun dem Team um Dr. Jenny Feige vom Zentrum für Astronomie und Astrophysik der TU Berlin nach aufwendigen Untersuchungen auch Aufschluss darüber, in welchem Verhältnis das 26Al zum vorher gemessenen 60Fe in explodierenden Sternen ausgeworfen werden kann. An den Untersuchungen waren Wissenschaftler aus Australien, Deutschland, Österreich und Südafrika beteiligt.

Messungen winzigster Mengen mit Beschleunigermassenspektrometrie

Dieses jüngste Forschungsergebnis ist ein Beispiel für den Erfolg enger nationaler und internationaler Zusammenarbeit. Jenny Feige extrahierte das 26Al mit chemischen Methoden in den Laboren des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf. Anschließend konnte es an der Universität Wien mit der Beschleunigermassenspektrometrie vermessen werden. Mit dieser Methode können extrem niedrige Isotopenkonzentrationen bestimmt werden.

Bei dem Isotop 26Al ist das der Fall: Unter Hundert Billionen (100.000.000.000.000) stabiler Aluminiumisotope auf der Erde befindet sich nur ein einziges 26Al-Atom. Alle gemessenen Atome konnten den atmosphärischen 26Al-Bruchstücken, nicht aber einer nahen Supernova zugeordnet werden.

Ein weiteres Problem, das sich den Forschenden stellt, ist die Tatsache, dass es zwischen der ausgestoßenen 26Al-Menge und der Menge, die tatsächlich in den Tiefseesedimenten ankommt, einen großen Unterschied gibt. Nicht quantifizierbare Verluste treten auf, weil zum Beispiel Teilchen durch Magnetfelder und Sonnenwind von ihrer Bahn abgelenkt werden oder die Wasserbewegungen auf der Erde die Einbaurate von 26Al ins Tiefseesediment beeinflussen.

Das Wissenschaftlerteam setzte deshalb das in dem atmosphärischen 26Al verborgene Supernova-produzierte 26Al ins Verhältnis mit dem vorher gemessenen 60Fe, unter der Annahme, dass sich beide während des Transports zwischen Sternexplosion und Sediment gleich verhalten. Denn dann bleibt auch das Verhältnis zwischen 60Fe und 26Al unverändert.

Dieses Verhältnis wurde mit den computergenerierten Simulationen von der Synthese der beiden Radionuklide in massereichen Sternen verglichen. Die meisten Modellergebnisse, so stellte sich heraus, sind mit den Ergebnissen aus der Tiefsee vereinbar.

Durch diese Kombination konnten nun erstmals experimentell die Nukleosynthese-Prozesse bestätigt werden, die in massereichen Sternen ablaufen und die die langlebigen Radionuklide 26Al und 60Fe produzieren.

Jenny Feige, Anton Wallner, Randolf Altmeyer, L. Keith Fifield, Robin Golser, Silke Merchel, Georg Rugel, Peter Steier, Stephen G. Tims, and Stephan R. Winkler:
Limits on Supernova-Associated 60Fe/26Al Nucleosynthesis Ratios from Accelerator Mass Spectrometry Measurements of Deep-Sea Sediments

Die Studie ist in der Zeitschrift Physical Review Letters (Phys. Rev. Lett. 121, 221103)
nachzulesen unter: https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.121.221103

Fotomaterial unter: http://www.tu-berlin.de/?202085

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Stefanie Terp Technische Universität Berlin

Weitere Informationen:

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