So maßschneidert man Nanomagnete
Wissenschaftler vom Center for Nanointegration (CeNIDE) an der Universität Duisburg-Essen (UDE) haben erstmals Regeln formuliert, nach denen sich gezielt Nanomagnete mit definierten Eigenschaften herstellen lassen. Ihre Erkenntnisse erschienen soeben im renommierten Online-Journal „Nature Communications“ (Ausgabe 2, Artikelnummer 528).
Nanomagnete ermöglichen heute die fortschrittliche Datenspeicherung, dienen als Kontrastmittel bei MRT-Untersuchungen und werden für Hyperthermie-Behandlungen bei Krebspatienten eingesetzt. Dies sind nur einige Beispiele der Einsatzmöglichkeiten, doch machen sie bereits deutlich, dass bei so vielfältigen Anwendungen ebenso unterschiedliche Eigenschaften der Nanomagnete gefragt sind.
Die Arbeitsgruppen von Experimentalphysiker Prof. Heiko Wende und dem Theoretischen Physiker Prof. Peter Entel haben sich dem Problem gemeinsam genähert. Zunächst haben sich die CeNIDE-Forscher dabei auf die Datenspeicherung konzentriert. Jeder Nanomagnet soll in Zukunft als ein Bit fungieren – je mehr dieser Partikel auf eine definierte Fläche passen, desto größer der Datenspeicherplatz. Für diesen Einsatz müssen die Nanomagnete eine hohe magnetische Anisotropie aufweisen, d.h. extrem hartmagnetisch sein. Das sie umgebende Material im Herzen einer Festplatte muss daher zwei Anforderungen erfüllen: Es muss die Nanomagnete vor Korrosion schützen, es darf deren magnetische Eigenschaften aber keinesfalls nachteilig verändern.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Wende betrachtete die Herausforderung von der experimentellen Seite. Die Forscher umhüllten hartmagnetische Eisen-Platin-Nanomagneten mit verschiedenen metallischen Elementen wie Kupfer, Gold und Aluminium. Mithilfe der Hochbrillanz-Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II des Helmholtz-Zentrums Berlin haben sie anschließend das magnetische Moment der Proben gemessen. Dr. Carolin Antoniak, die federführend so manche Nacht vor den Schalttafeln des Großforschungsgeräts mit 240 Metern Umfang zugebracht hat, freut sich über die erzielten Ergebnisse: „Die investierte Zeit hat sich definitiv gelohnt, denn hier war es uns möglich, getrennt Spin- und Bahnmagnetismus zu messen und sogar Rückschlüsse auf die magnetische Anisotropie zu ziehen.“
Parallel zur experimentellen Forschung hat die Arbeitsgruppe von Prof. Entel den Einfluss verschiedener Umhüllungselemente theoretisch berechnet. Während die Messungen am BESSY II das magnetische Moment aller Atome in einem Nanomagneten im Mittel ergeben, konnte Dr. Markus Gruner die magnetischen Eigenschaften jedes einzelnen Atoms getrennt untersuchen – zum Beispiel in der Mitte und an der Oberfläche des Nanomagneten. Für diese komplizierten Rechnungen nutzte der Theoretische Physiker Europas größten akademischen Forschungsrechner JUGENE am Forschungszentrum Jülich, der eine Rechenleistung von 1 Petaflop pro Sekunde hat. „Wir haben mehr als 1.000 Prozessoren über mehrere Wochen synchron arbeiten lassen. Das ging nur hier.“
Nur die Kombination von Theorie und Experiment hat zu diesen in Forscherkreisen bahnbrechenden Ergebnissen geführt: Die theoretische Berechnung ist zwar extrem genau, beruht jedoch auf Annahmen. Annahmen, die im Experiment bewiesen wurden. So können die UDE-Forscher nun Regeln formulieren, wie Nanomagnete mit spezifischen magnetischen Eigenschaften (hart- oder weichmagnetisch, maximales oder verkleinertes Moment) herzustellen sind. Die gute Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment zeigt, dass solche Rechnungen es prinzipiell ermöglichen, auch Eigenschaften von bisher nicht hergestellten Arten von Nanomagneten vorauszusagen. So lassen sich die Nanomagnete je nach Art der gewünschten Eigenschaften bereits vor der Realisierung maßschneidern.
„Für die Zukunft haben wir uns vorgenommen, die Nanomagnete mit organischen Materialien zu umhüllen“, erklärt Wende. „Eventuell ist es dann möglich, die Eigenschaften nachträglich durch äußere Einflüsse wie zum Beispiel Licht zu modifizieren.“
Redaktion und Kontakt: Birte Vierjahn, 0203/379-1456, birte.vierjahn@uni-due.de
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