Mär vom „Quantensprung“ widerlegt

Das elektrisch aufgeladene Atom wird für das Experiment in einem elektromagnetischen Feld – einer sogenannten Ionenfalle – festgesetzt. Universität Stockholm

Die Quantenphysik beschäftigt sich mit Systemen kleinster Teilchen wie Molekülen, Atomen oder Lichtpartikeln. Zwar ist es mithilfe von Anwendungen wie Lasern oder hochsensiblen Elektronenmikroskopen möglich, Messungen an solchen kleinsten Teilchen vorzunehmen. Was genau während eines solchen Messprozesses passiert, ließ sich bisher jedoch nur anhand von theoretischen Modellen erklären.

Dem Physiker Dr. Matthias Kleinmann von der Universität Siegen ist es zusammen mit Kollegen aus Sevilla und Stockholm erstmals gelungen, die Messung eines Atoms exakt zu beobachten und zu analysieren. Die Ergebnisse des Experiments werden in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ beschrieben.

„Messungen waren in der Quantenphysik schon immer ein schwieriges Thema. Zwar können wir anhand mathematischer Berechnungen sagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte Messergebnisse auftreten.

Wie diese Ergebnisse entstehen, was also während des Messvorgangs genau vor sich geht, war bisher aber ein Mysterium“, erklärt Kleinmann. Den Messprozess zu analysieren, habe ihn schon lange gereizt. Allerdings fehlten dazu in der Vergangenheit die technischen Möglichkeiten.

Mithilfe hochmoderner Messtechnik ist es Kleinmann und seinen Kollegen aus Sevilla und Stockholm nun jedoch gelungen, eine Quantenmessung zu „filmen“. Die Physiker haben dazu ein Atom elektrisch aufgeladen und es in einem elektromagnetischen Feld festgesetzt.

Mithilfe eines Lasers nahmen sie anschließend eine Messung des Systems vor – und konnten dabei die Quantenzustände zu unterschiedlichen Zeiten während des Messprozesses festhalten. „Der gesamte Messvorgang findet innerhalb einer millionstel Sekunde statt. Wir haben diesen Prozess künstlich verlangsamt, um ihn abbilden zu können“, sagt Kleinmann.

Die Ergebnisse des Experiments zeigen unter anderem, dass sich das System während der Messung nicht sprunghaft und übergangslos verändert, sondern graduell und fließend. „Wir konnten damit beweisen, dass die alte Mär von den ‚Quantensprüngen‘ nicht stimmt“, erklärt der Siegener Physiker.

Mit ihrem Versuch konnten er und seine Kollegen außerdem erstmals existierende theoretische Modelle zum Messprozess experimentell bestätigen – ein Durchbruch auf dem Weg zu einem besseren Verständnis von Quantenmessungen.

Vorschlag und theoretische Analyse des Experiments lagen bei Kleinmann und seinem spanischen Kollegen Prof. Dr. Adán Cabello von der Universität Sevilla, durchgeführt wurde es von den schwedischen Kollegen um Prof. Dr. Markus Hennrich an der Universität in Stockholm.

„Dort wird, wie auch in Siegen, sehr intensiv an der Entwicklung des Quantencomputers gearbeitet – und dort existiert die benötigte Messtechnik“, sagt Kleinmann. Die Idee zu dem Experiment war ihm während eines Besuchs in den Stockholmer Laboren gekommen, die schwedischen Physiker haben die Messungen daraufhin implementiert. „Es handelt sich um ein erfolgreiches Produkt aus der Arbeit am Quantencomputer“, beschreibt Kleinmann die ungewöhnliche Kooperation.

Priv.-Doz. Dr. Matthias Kleinmann
E-Mail: matthias.kleinmann@uni-siegen.de
Tel.: 0271 740 3799

https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.124.080401

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Tanja Hoffmann M.A. idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.uni-siegen.de

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