Unberührter Regenwald reinigt die Atmosphäre

Der Amazonasregenwald, aufgenommen von der Bodenstation in Brownsberg/Surinam. Bild: Max-Planck-Institut für Chemie<br>

Dass die Tropen die Atmosphäre reinigen und das Klima regeln, ist schon lange bekannt. Doch nach welchen Mechanismen funktioniert dies?

Um die Atmosphärenchemie über dem Regenwald Amazoniens genauer zu untersuchen, haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie im Oktober 2005 ein Forschungsflugzeug eingesetzt und zusätzlich Messungen in der Bodenstation Brownsberg in Surinam durchgeführt. Die jetzt publizierten Ergebnisse verblüffen die Wissenschaftler: Denn die Reinigungskraft der natürlichen Atmosphäre ist viel größer als bisher angenommen (Nature, 10. April 2008).

Die Messkampagne fand größtenteils über unberührtem Regenwald statt, in dem lokale Emissionen, die von den Menschen verursacht werden, vernachlässigbar gering sind. Die Flugdaten zeigten eine bemerkenswert hohe Konzentration von Hydroxylradikalen. Diese äußerst reaktiven Moleküle entfernen verunreinigende Gase aus der Atmosphäre. Computermodelle beruhten bislang darauf, dass der Regenwald große Mengen an Kohlenwasserstoffgasen freisetzt, die diese Hydroxylradikale verbrauchen und dadurch die Reinigungskraft der Atmosphäre vermindern. Die jetzt durchgeführten Messungen bestätigen, dass der Regenwald tatsächlich eine gewaltige Kohlenwasserstoffquelle ist, zeigen jedoch auch, dass natürliche chemische Prozesse die Hydroxylradikale – das „Reinigungsmittel“ der Atmosphäre – regenerieren.

Um diese komplexe Kohlenwasserstoffchemie besser zu verstehen, führten Atmosphärenforscher um Jos Lelieveld zusätzlich Laboruntersuchungen im Max-Planck-Institut in Mainz und eingehende Computermodellrechnungen auf einem Supercomputer des Max-Planck-Rechenzentrums in Garching durch. Mithilfe der neuen Ergebnisse können sie nun erklären, wie die Atmosphäre ihren Reinigungsmechanismus über geologische Zeiträume hinweg aufrechterhalten konnte, insbesondere auch während Wärmeperioden, als die Vegetation der Erde noch viel üppiger war als heute.

Pflanzen und Bäume emittieren jährlich mehr als eine Gigatonne flüchtiger organischer Verbindungen. Davon sind etwa 40 Prozent Isopren. Diese gasförmige chemische Verbindung, die zu den Terpenen zählt, schützt die Pflanzen vermutlich vor dem Austrocknen. Die Menge an Kohlenwasserstoffen, die von Pflanzen stammt, übersteigt um ein Vielfaches die Menge, die von anthropogenen Quellen herrührt. Die Max-Planck-Forscher nehmen an, dass in unberührter Atmosphäre die natürliche Oxidation des Isoprens Hydroxylradikale sehr effizient recycelt. „Die gemessene hohe Hydroxylkonzentration lässt sich mit einer Recycling-Effizienz von 40 bis 80 Prozent erklären“, so Lelieveld. In verschmutzter Luft mit höheren Gehalten an Stickoxiden führt diese Oxidation dagegen zum photochemischen Smog unter Bildung von Ozon und anderen Schadstoffen.

Die Ergebnisse geben somit auch Anlass zur Beunruhigung: Da die Zerstörung des Ökosystems durch die Abholzung des Amazonasregenwaldes und die landwirtschaftliche, städtische und industrielle Entwicklung in den Tropen weiter fortschreitet, verändert dies auch die äußerst wirksame natürliche Selbstreinigungskraft der Luft, die Verunreinigungen steigen und tragen damit zum Klimawandel bei. „Ohne den Einfluss des Menschen jedoch hält der Wald in bemerkenswerter Weise das Gleichgewicht mit seiner atmosphärischen Umgebung aufrecht“, ist der Max-Planck-Wissenschaftler überzeugt.

Originalveröffentlichung:

J. Lelieveld, T. M. Butler, J. N. Crowley, T. J. Dillon, H. Fischer, L. Ganzeveld, H. Harder, M. G. Lawrence, M. Martinez, D. Taraborrelli and J. Williams
Atmospheric oxidation capacity sustained by a forest
Nature 10. April, 2008

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Ökologie Umwelt- Naturschutz

Dieser Themenkomplex befasst sich primär mit den Wechselbeziehungen zwischen Organismen und den auf sie wirkenden Umweltfaktoren, aber auch im weiteren Sinn zwischen einzelnen unbelebten Umweltfaktoren.

Der innovations report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Klimaschutz, Landschaftsschutzgebiete, Ökosysteme, Naturparks sowie zu Untersuchungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer