Typ 1 Diabetes: Schnell krank oder langsam? Die Kombination der Gene macht‘s

Jetzt haben Wissenschaftler des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, herausgefunden, wann mit einer eher raschen, wann mit einer langsamen Entwicklung des Typ 1 Diabetes zu rechnen ist.

Ein rasches Fortschreiten der Autoimmunerkrankung scheinen folgende Faktoren zu begünstigen: Eine Kombination bestimmter Risikogene, das frühe Auftreten von Autoantikörpern gegen das Insellzell-Antigen-2 (IA-2A) sowie eine Kaiserschnitt-Geburt.

Bei Typ 1 Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, also eine Störung des eigenen Immunsystems. Charakteristisches Merkmal ist das Auftreten von körpereigenen Antikörpern. Wie schnell sich der Autoimmunprozess und letztlich der Typ 1 Diabetes entwickelt, hängt vermutlich von einem Zusammenspiel von Umweltfaktoren und Erbanlagen ab. Welche dies sein könnten, haben Wissenschaftler des Instituts für Diabetesforschung (IDF), Helmholtz Zentrum München jetzt teilweise entschlüsselt.

Sie haben Teilnehmer der BABYDIAB-Studie, die alle mindestens einen Verwandten mit Typ 1 Diabetes haben, 20 Jahre lang beobachtet. Die BABYDIAB Studie ist die erste prospektive Kohortenstudie, welche Teilnehmer von Geburt an einschließt. „Die lange Beobachtungsdauer hat es uns ermöglicht, zwei Extremgruppen mit einer intensiven Autoimmunreaktion zu identifizieren und zu vergleichen“, so Dr. Peter Achenbach vom IDF. „Dadurch konnten wir aufschlussreiche Erkenntnisse über die Ursachen der unterschiedlich schnellen Progression von Autoimmunität gewinnen“. Das Ergebnis der Analysen: Obwohl die Kinder mit mehreren Autoantikörpern sich in ihrer Immunantwort ähneln, schreitet bei ihnen die Phase der Autoimmunität bis zu den ersten klinischen Symptomen unterschiedlich schnell voran. Die Münchner Forscher bildeten die Gruppe der „Slow Progressors“ (Kinder, die erst mindestens 10 Jahre nach dem erstmaligen Auftreten von Autoantikörpern Typ 1 Diabetes bekommen) und die der „Rapid Progressors“ (Kinder, die bereits nach spätestens 3 Jahren erkranken).

Die größten Unterschiede zeigten sich bei der Entwicklung des Autoantikörpers IA-2A (Autoantikörper gegen das Inselzell-Antigen 2), welche im Allgemeinen auf ein hohes Diabetes-Risiko hindeutet. Die Slow Progressors wiesen eine verzögerte Entwicklung von IA-2A auf.

Charakteristisch für die Rapid Progressors war ein höherer Anteil an Risikovarianten von Genen, die an der Steuerung der Immunantwort beteiligt sind. Diese Genvarianten sind einzeln mit einem relativ gering erhöhten Erkrankungsrisiko für Typ 1 Diabetes verbunden. Treten sie jedoch in bestimmten Kombinationen auf, begünstigt dies offensichtlich einen frühen Krankheitsausbruch. Dies gilt insbesondere für die Risikovarianten des IL2 Gens, sowie des IL2-Rezeptor-Gens CD25, welche Immunreaktionen vermitteln. Dagegen konnte kein Unterschied zwischen beiden Gruppen bezüglich der HLA (Humanes Leukozyten Antigen)-Genvarianten gefunden werden, die das größte Risiko für Typ 1 Diabetes darstellen.

Grundsätzlich glichen sich die Kinder bezüglich demographischer Faktoren. Im Hinblick auf die Umweltbedingungen unterschieden sie sich lediglich nach Spontangeburt oder Kaiserschnitt: Während die Hälfte der Rapid Progressors per Kaiserschnitt auf die Welt kamen, war dies nur bei jedem sechsten Slow Progressor der Fall.
Die Ergebnisse der Münchner Forscher könnten dabei helfen, diejenigen Teilnehmer für Präventionsstudien auszuwählen, die davon am meisten profitieren würden. Neue Ansätze für Diagnose, Therapie und Prävention der großen Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus zu entwickeln, sind Ziele des Helmholtz Zentrums München.

Weitere Informationen

Wer an einer Studie zu Typ 1 Diabetes teilnehmen möchte, kann sich unverbindlich informieren bei:

Institut für Diabetesforschung
Helmholtz Zentrum München
Direktorin: Univ.-Prof. Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler
Kostenlose Info-Hotline: 0800 82 84 86 8
E-Mail: prevent.diabetes@lrz.uni-muenchen.de
Internet: www.diabetes-studien.de

Original-Publikation:
Achenbach P et al. (2013): Characteristics of rapid vs slow progression to type 1 diabetes in multiple islet autoantibody-positive children, Diabetologia, doi: 10.1007/s00125-013-2896-y

Das Institut für Diabetesforschung (IDF) befasst sich mit der Pathogenese und Prävention von Typ 1 Diabetes und Schwangerschaftsdiabetes. Dazu untersucht es die molekularen Mechanismen der Krankheitsentstehungen, insbesondere das Zusammenspiel von Umwelt, Genen und Immunsystem. Ziel ist die Identifizierung von Markern zur frühen Diagnose und die Entwicklung von Präventionsstrategien und neuen Therapien zur Heilung von Diabetes. www.helmholtz-muenchen.de/idf1

Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.100 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 34.000 Beschäftigten angehören. Das Helmholtz Zentrum München ist Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung e.V. www.helmholtz-muenchen.de

Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Mitglieder des Verbunds sind das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, die Paul Langerhans Institute des Carl Gustav Carus Universitätsklinikums Dresden und der Eberhard-Karls-Universität Tübingen sowie die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. und die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz Antworten auf offene Fragen in der Diabetesforschung zu finden und einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung von Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten.

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