So sieht Botox aus: Forscher entschlüsseln Funktion und komplizierte Raumstruktur des Neurotoxins

Raumstruktur des Botulinum-Komplexes. Quelle „Rummel/MHH“<br>

Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben zusammen mit amerikanischen Kollegen aufgeklärt, wie das Bakterium Clostridium botulinum sein Nervengift in das Blut des Menschen schleust. Das Team um Dr. Andreas Rummel vom Institut für Toxikologie veröffentlichte gemeinsam mit Professor Rongsheng Jin, University of California, Irvine, Kalifornien seine Ergebnisse in der angesehenen Fachzeitschrift „PLOS Pathogens“.

Mit Botulinumtoxin werden schwere Bewegungsstörungen erfolgreich behandelt – als „Botox“ spielt es bei kosmetischer Faltenglättung eine bekannte Rolle. Wie aber der Wirkstoff des bereits 1989 als Arzneimittel für seltene Leiden (orphan drug) zugelassenen Medikaments aussieht, war bis dato unbekannt. Ursprünglich bekannt wurde das Botulinum-Toxin durch die heutzutage seltene Krankheit Botulismus, eine tödliche Lebensmittelvergiftungen. Dabei gelangt dieses hochmolekulare Eiweiß ins Blut.

„Vergangenes Jahr konnten wir aufklären, wie ein Schutzprotein das Toxin einpackt und so gegen das feindliche Milieu in Magen und Dünndarm beschützt,“ sagt Dr. Rummel, „jetzt verstehen wir auch, wie es an der Dünndarmwand andockt und das Toxin in die Blutbahn entlässt“. Dr. Rummel und seine Mitarbeiterinnen Anna Magdalena Kruel, Thi Tuc Nghi Le, Jasmin Strotmeier und Nadja Krez fanden heraus, dass sich dazu drei weitere Proteine zu einem zwölfteiligen Subkomplex zusammenlagern. „Die Struktur erinnert entfernt an das Mondlandemodul der Apollo-Mission“, erklärt Dr. Rummel. Dieser sogenannte HA-Komplex bindet über bis zu neun Kontaktpunkte an Zucker auf der Oberfläche des Dünndarmepithels und öffnet anschließend Zell-Zell-Kontakte, um das Toxin effizient in die Blutbahn gelangen zu lassen.

Den Wissenschaftlern gelang es mit Hilfe von Elektronenmikroskopie und Röntgenstrukturanalysen die Raumstruktur des 14-teiligen Komplexes aufzuklären, der aus mehr als 6500 Aminosäuren besteht. Zellbiologische Experimente konnten die funktionelle Rolle der einzelnen Bestandteile ermitteln. Die Erkenntnis der Bindung an Zuckermoleküle erlaubte es den Forschern, Substanzen in Mäusen erfolgreich zu testen, die die Resorption des Toxins verhindern. „Dies ist eine völlig neue Therapiestrategie gegen Botulismus, die im Falle einer bioterroristischen Bedrohung mit dem Botulinum-Neurotoxin auch präventiv eingesetzt werden könnte“ erläutert Dr. Rummel.

Weitere Informationen erhalten Sie von Dr. Andreas Rummel, Telefon (0511) 532-2819, rummel.andreas@mh-hannover.de.

Originalpublikation: “Structure of a bimodular botulinum neurotoxin complex provides insight into its oral toxicity” by Kwangkook Lee, Shenyan Gu, Lei Jin, Thi Tuc Nghi Le, Luisa W. Cheng, Jasmin Strotmeier, Anna Magdalena Kruel, Guorui Yao, Kay Perry, Andreas Rummel* and Rongsheng Jin*, PPATHOGENS-D-13-01100

Media Contact

Stefan Zorn idw

Weitere Informationen:

http://www.mh-hannover.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Robotisch assistiertes Laserverfahren soll OP-Risiken minimieren

Eine Spinalkanalstenose – eine knöcherne Verengung des Wirbelkanals – kann für Betroffene zur Qual werden. Drückt sie auf das Rückenmark, drohen ihnen chronische Schmerzen und Lähmungserscheinungen. Häufig hilft dann nur…

Verbesserte Materialien für die Verbindungen von Mikrochips

Leistungsfähiger, stromsparender, komplexer – Hersteller von modernen Microchips sehen sich stetig neuen Herausforderungen gegenüber, auch in Bezug auf die dort notwendigen elektrischen Verbindungen. Das Fraunhofer IPMS und BASF widmen sich…

Inspiriert von der Natur: Biophysiker aus dem Projekt InCamS@BI entwickelt neuartige Mikroplastikfilter im Labor

Heutzutage ist es überall zu finden: Mikroplastik. Es wird insbesondere durch die Luft und durchs Wasser in die entlegensten Winkel der Erde transportiert. Eine der großen Fragen lautet: Wie können…