Geschlechtsunterschiede beim Placeboeffekt
Aktuelle Forschungen zur Placebo-Forschung von Wissenschaftlern am Tübinger Uniklinikum ergeben: Frauen reagieren auf ihre Umwelt eher aus dem bisherigen Erfahrungsschatz heraus, Männer lassen sich eher durch Suggestion beeinflussen.
Prof. Paul Enck von der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen: „Wir konnten in zwei Experimenten zeigen, dass eine in einem Drehstuhl induzierte Übelkeit (Bewegungskrankheit = motion sickness) durch Suggestionen verstärkt werden kann, aber auch durch Konditionierung erlernt werden kann. Auffallend war, dass die Suggestionen vor allem auf die Männer wirkte, während die Frauen stärker im Konditionierungsexperiment reagierten.“
Im Endergebnis waren beide Effekte gleich, kamen aber offenbar auf unterschiedliche Weise zustande. Placebo- und (wie in diesen Experimenten) Noceboeffekte können also auch in klinischen Medikamentenversuchen auf unterschiedliche Weise entstehen: bei dem einen wirken die suggestiven Elemente stärker, beim anderen seine bisherige Erfahrung mit Krankheit und Behandlung. Der Placeboeffekt ist wesentlich komplexer als bislang angenommen, und Geschlechtsunterschiede spielen auch hier eine Rolle.
Im Versuchsaufbau wurden die Probanden in einen Drehstuhl gesetzt, der Übelkeit auslöst. Parallel dazu erhielten die Versuchspersonen einen kurzen Geschmacksreiz. Die eine Hälfte gekoppelt mit der Information, dass es ihnen bei dem Geschmacksreiz deutlich übel würde, die andere Hälfte ohne diese Information. Besonders Männer zeigten sich anfällig für diese suggestive Beeinflussung.
In einer zweiten Gruppe wurde derselbe Versuch, Drehstuhl mit Geschmacksreiz, über 3 Wochen erlernt. Hier zeigten sich vor allem Frauen anfälliger für die Übelkeit, sie verwerten offensichtlich einmal erlernte Erfahrungen anders als Männer.
Der Placeboeffekt in klinischen, insbesondere pharmakologischen Versuchen kommt nach diesen Untersuchungen auf zwei Weisen zustande: Durch Konditionierung (Lernen), bei dem eine frühere, positive wie negative Erfahrung mit Medikamenten eine Rolle spielt, und durch aktuelle Erwartungen, die Patienten haben und die durch suggestive Informationen genährt werden, wie sie zum Beispiel auf Beipackzetteln stehen. Nocebo-Effekte, d.h. negative Wirkungen unter einer Placebobehandlung, folgen den gleichen Regeln.
Die Ergebnisse sind aktuell veröffentlicht in einem Review der renommierten medi-zinischen Fachzeitschrift NEURON 2008 (P. Enck, F. Benedetti, P. Schedlowski: New Insights into the Placebo and Nocebo Response)
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Universitätsklinikum Tübingen
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Prof. Dr. Paul Enck, Diplom-Psychologe
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