Elementare Forschungserkenntnisse für neue Therapie bei Nierenversagen durch EHEC kommen aus Innsbruck

EHEC Bakterien bleiben im Darm (englisch: &quot;gut&quot;), die Toxine (Sterne) werden aber ins Blut aufgenommen und zerstören direkt die Niere. Ein überschießendes Komplementsystem zerstört die Niere aber ebenso. Innsbrucker Forscher haben nun nachgewiesen, dass die Toxine das Komplementsystem direkt aktivieren (blauer Pfeil) und auch dessen Kontrolle zerstören (rot). Beides führt zur verstärkten Aktivierung und Zerstörung der Niere. Eculizumab kann dies blockieren (grüner Balken). Bildrechte: Medizinische Universität Innsbruck<br>

„Bei vielen Infektionskrankheiten im Endstadium ist für einen fatalen Ausgang weniger der auslösende Erreger, als vielmehr die überschießende Reaktion des Immunsystems verantwortlich“, weiß der Mikrobiologe und Immunologe Reinhard Würzner.

Das Komplementsystem ist ein wichtiger Bestandteil dieses Immunsystems. Die aktuelle Forschung kennt zahlreiche angeborene Mutationen bei Regulatoren im Komplementsystem. Diese mutierten Regulatoren können das Komplementsystem nicht mehr richtig kontrollieren. Die daraus folgende überschießende Reaktion zerstört die Niere und führt zu einem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), das man „atypisch“ nennt, wenn es vorher keine EHEC-Infektion gab. Beide HUS-Typen – das typische wie das atypische – zeigen einen ähnlichen klinischen Verlauf, unterscheiden sich aber in ihren Ursachen: einerseits durch eine angeborene Mutation, andererseits durch eine EHEC-Infektion. Forschungsergebnisse aus der Medizinischen Universität Innsbruck zur Behandlung des atypischen HUS könnten nun auch für die Therapie gegen das EHEC-induzierte HUS relevant und erfolgversprechend sein.

Bedeutungsvolles Komplementsystem

Bereits vor 20 Jahren gelang es Reinhard Würzner – damals noch in Göttingen und Cambridge – einen Antikörper zu entwickeln und zu charakterisieren, der das Komplementsystem blockiert. Dieser Antikörper wurde „humanisiert“ und ist der Prototyp des inzwischen zugelassenen Medikaments Eculizumab.

Das Medikament wurde zur Blockade des Komplementsystems jahrelang erfolgreich bei PNH (paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie – ebenfalls eine Nierenerkrankung mit Komplementbeteiligung) eingesetzt.

Da nun Eculizumab bei PNH wirkt und das atypische HUS ebenso eine überschießende zerstörerische Komplementaktivierung zeigt, setzte der im letzten Jahr verstorbene Direktor der Pädiatrie I, Prof. Lothar Bernd Zimmerhackl, diesen Antikörper nach gründlicher Abwägung innerhalb der gemeinsamen Forschungsgruppe schließlich auch erfolgreich bei einem kleinen Jungen ein, der an einem, durch eine solche Mutation ausgelösten HUS leidet.

Zuversichtliche Prognose dank Antikörpertherapie

Aus Innsbruck kam nun auch der zweite fehlende Baustein für die Wirkung der Antiköpertherapie: Obwohl das typische HUS durch die Toxine des EHEC-Bakteriums ausgelöst wird, wird auch hier das Komplementsystem verstärkt aktiviert und zugleich schwächer kontrolliert. Damit ist die Voraussetzung gegeben, dass auch das EHEC-HUS mit diesem Antikörper therapiert werden könnte. Erst kürzlich konnten ÄrztInnen und WissenschafterInnen aus Montreal, Paris und Heidelberg zeigen, dass dies auch in der Praxis funktioniert. „Vor diesem Hintergrund wird diese Therapie nun verstärkt in Deutschland eingesetzt und wir sind zuversichtlich, dass der Einsatz der Antikörper zu einer geringeren Todesrate führen könnte“, betont Würzner.

HUS-Weltkongress in Innsbruck

Univ.-Prof. Würzner kann sich in seiner Forschungsarbeit auf ein engagiertes Team aus sieben Ärzten und drei Wissenschaftlern aus der Sektion für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie (Direktorin: Univ.-Prof.in Cornelia Lass-Flörl) und der Univ.-Klinik für Pädiatrie I (Interimistische Leitung: ao. Univ.-Prof.in Elisabeth Steichen-Gersdorf) verlassen. Dieses interdisziplinäre und institutsübergreifende Team hielt Anfang letzter Woche einen HUS-Weltkongress im Hotel Grauer Bär in Innsbruck ab.

Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 1.800 MitarbeiterInnen und ca. 2.800 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden drei Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. Neu im Studienplan ab Herbst 2011 ist das Bachelor-Studium der Molekularen Medizin.

Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. In der Forschung liegen die Schwerpunkte im Bereich der Molekularen Biowissenschaften (u.a. bei dem Spezialforschungsbereich „Zellproliferation und Zelltod in Tumoren“, Proteomik-Plattform), der Neurowissenschaften, der Krebsforschung sowie der molekularen und funktionellen Bildgebung. Darüber hinaus ist die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck in der hochkompetitiven Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.

Für Rückfragen:

Ao. Univ.-Prof. Reinhard Würzner
Sektion für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie
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