Entzündliche Vorgänge bei der Alzheimer’schen Krankheit

Dr. Gerald Münch im Labor

Die Forschergruppe um Dr. Gerald Münch vom IZKF Leipzig hatte eine Idee: Bei der Behandlung von diabetischen Nervenschäden wird schon lange ein Medikament eingesetzt, die Thioctsäure, die diese freien Radikalen unschädlich macht und gleichzeitig die Nervenzelle mit mehr Energie versorgt. „Warum sollten solche (als Antioxidantien bezeichnete) Substanzen nicht auch die chronische Entzündung erfolgreich bekämpfen können, die durch die AGEs im Gehirn hervorgerufen werden, und gleichzeitig der Nervenzelle die Energie zum Reparieren erlittener Schäden geben?“, fragten sich die Forscher

Die Alzheimersche Krankheit ist so bekannt wie allgemein gefürchtet. Noch immer ist kein Medikament in Sicht, mit dem man die Krankheit aufhalten, geschweige denn heilen kann. Eine Gruppe von jungen Wissenschaftlern um den Biochemiker Dr. Gerald Münch vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung Leipzig (IZKF) hat hier neue Wege eingeschlagen, die vielversprechend sind.

Für die Alzheimer Demenz sind Proteinablagerungen im Gehirn charakteristisch, die so genannten senilen Plaques, die miteinander vernetzt und nicht wieder abbaubar sind. Ein Bestandteil der Plaques sind die sogenannten Advanced Glycation Endproducts (AGEs), die aus Zuckerfragmentierungsprodukten gebildete werden. Die AGEs lösen entzündlicher Prozesse aus und tragen so zunächst zum Funktionsverlust, im fortgeschrittenen Stadium zur Zerstörung von Nervenzellen bei. Wie die Advanced Glycation Endproducts mit den Nervenzellen interagieren und welche Signalwege sie in der Zelle stimulieren ist noch weitgehend ungeklärt. Weiterhin sind die genauen chemischen Strukturen vieler AGEs noch nicht vollständig aufgeklärt. Das ist aber eine Voraussetzung dafür, Medikamente zu entwickeln, die man gegen Alzheimer einsetzen kann.

Auf diesem Wege ist die Arbeitsgruppe von Privatdozent Dr. Gerald Münch vom IZKF Leipzig einen Schritt weitergekommen. Sie wies erstmals die entzündungsauslösende Wirkung der AGEs nach, bei denen freie Radikale (das sind stark reaktionsfähige Sauerstoffverbindungen) eine entscheidende Rolle spielen. Die Forschergruppe hatte nun eine Idee: Bei der Behandlung von diabetischen Nervenschäden wird schon lange ein Medikament eingesetzt, die Thioctsäure, die diese freien Radikalen unschädlich macht und gleichzeitig die Nervenzelle mit mehr Energie versorgt. „Warum sollten solche (als Antioxidantien bezeichnete) Substanzen nicht auch die chronische Entzündung erfolgreich bekämpfen können, die durch die AGEs im Gehirn hervorgerufen werden, und gleichzeitig der Nervenzelle die Energie zum Reparieren erlittener Schäden geben?“, fragten sich die Forscher.

Inspiriert von diesen grundlegenden biochemischen Untersuchungen behandelte Privatdozent Dr. Klaus Hager in der Klinik für medizinische Rehabilitation und Geriatrie der Henriettenstiftung Hannover zehn Alzheimer-Patienten über sechs bis zwölf Monate mit Thioctsäure. Die positiven Erfolge der Behandlung lassen darauf schließen, daß die Konzepte der Leipziger Forscher schlüssig waren und die durch die AGEs ausgelösten Entzündungen auf diese Weise erfolgreich bekämpft werden können.

Jetzt will die Arbeitsgruppe Gruppe um PD. Dr. Gerald Münch die AGE-Rezeptoren finden und untersuchen, die für die Entzündungsprozesse verantwortlich sind. Wenn deren molekulare Struktur genau geklärt ist, kann man das Pendant finden, nämlich jene blockierende Strukturen, mit denen man die Entzündung bekämpfen kann. Systematisch geordnete Peptidsammlungen stellen dafür die Schlüsseltechnologie dar. Sie erlauben es, AGE-ähnliche Strukturen systematisch zu synthetisieren und in Zelltests zu untersuchen. Die Forscher hoffen, damit das womöglich erste Medikament zu finden, das (auch in Kombination mit Thioctsäure) gegen AGEs als die Auslöser der neuroimmunologisch-neurodegenarativen Prozesse eingesetzt werden kann, die die Alzheimer Krankheit mitbestimmen.

Prof. Dr. Frank Emmrich, Sprecher, des Interdisziplinären Zentrums für klinische Forschung Leipzig schätzt die Arbeit der jungen Wissenschaftlergruppe um Dr. Münch als sehr vielversprechend ein: „Die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern durch das IZKF trägt erste Früchte. Nun kommt es darauf an, den Motivationschub, der sich daraus auch für andere ergibt, zu nutzen, um Ergebnisse vorzulegen, die unmittelbar den Patienten zugute kommen.“, so Prof. Emmrich.

PS:
Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse der Pilotstudie hat sich die Firma ASTA Medica (Frankfurt) entschlossen, eine multzentrische Studie in mehreren deutschen Kliniken noch in diesem Jahr zu beginnen. Dabei soll Dexlipotam, ein verbessertes Derivat der Thioctsäure eingesetzt werden, dessen überlegene Wirkung gegenüber der Grundsubstanz sich schon in mehreren Studien bei diabetischen Nervenfunktionsstörungen gezeigt hat.

Dr. Bärbel Adams

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