Wie viel Medizin verträgt der Mensch?

Professor Norbert Schmacke von der Universität Bremen greift mit einer Studie über die Bewertung und Wirkung des medizinischen Fortschritts ein gesellschaftliches Tabuthema auf. Ist medizinischer Fortschritt ein Wert schlechthin? Und warum wird die Frage nach dem Nutzen der modernen Medizin für den Menschen nach wie vor nur zögerlich gestellt? Genau dieser Thematik nimmt sich Schmacke an: In der Veröffentlichung „Wie viel Medizin verträgt der Mensch?“ stellt er den „blinden“ Glauben an den medizinischen Fortschritt in Frage und fordert wissenschaftlich fundierte Untersuchungen moderner medizinischer Leistungen.


Alternde Gesellschaft, finanzieller Ruin der Gesetzlichen Krankenversicherung, mehr Eigenverantwortung der Versicherten, Wachstumsmarkt Gesundheit: Schlagworte wie diese beherrschen die Diskussionen um die Zukunft des Gesundheitswesens in Deutschland. Untergangsvisionen der solidarisch finanzierten Krankenversicherung machen die Runde. Die Zwei-Klassen-Medizin steht für zahlreiche Beobachter bereits vor der Tür. In den Hintergrund treten dabei Fragen nach dem Verhältnis von medizinischem Aufwand und Nutzen für den Patienten, kritisiert der Gesundheitswissenschaftler Norbert Schmacke, Leiter der Arbeits- und Koordinierungsstelle Gesundheitsversorgungsforschung der Universität Bremen. Er fordert: Die moderne Medizin samt ihrer Versprechungen muss sich weitaus stärker als heute wissenschaftlich fundierten Qualitätskontrollen stellen.

Norbert Schmacke bewertet das Allheilmittel Markt im Gesundheitswesen eher skeptisch. Marktmechanismen garantieren – im Gegensatz zu nahegelegten Vorstellungen – keineswegs Qualität der medizinischen Versorgung. Deshalb hält er die Nutzenbewertung medizinischer Innovationen für vorrangig – gerade auch vor dem Hintergrund der finanziellen Probleme im Gesundheitswesen. Dabei geht es dem Bremer Wissenschaftler nicht darum, dass ökonomische Überlegungen vor Versorgungsqualität kommen. Ihn interessiert bei der Nutzenbewertung vielmehr, Verschwendung und Fehlentwicklungen ausfindig zu machen und abzustellen. Als Beispiele für Entwicklungen, die die Notwendigkeit einer kritischen Betrachtung von Innovationen besonders deutlich machen, nennt Norbert Schmacke die Hormonvergabe an Frauen nach der Menopause, den Einsatz von Robotern in der Chirurgie oder die weitverbreitete Behandlung mit Psychopharmaka. Viele Gesundheitsleistungen der modernen Medizin produzieren – so Schmacke – nicht automatisch mehr Gesundheit.

Literaturangabe: Norbert Schmacke: „Wie viel Medizin verträgt der Mensch?“ KomPart Verlagsgesellschaft, 2005.

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Arbeits- und Koordinierungsstelle Gesundheitsversorgungsforschung
Prof. Dr. Norbert Schmacke
Human- und Gesundheitswissenschaften
Tel. 0421 218 8131
E-Mail: schmacke@uni-bremen.de

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Angelika Rockel idw

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http://www.uni-bremen.de

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