Zirkular polarisiertes Licht erzeugen

Aufbauten für die ultraschnelle Laserspektroskopie neuartiger Halbleiter.
(c) Uni Heidelberg

Heidelberger Wissenschaftler entwickeln neuartigen organisch-anorganischen Halbleiter.

Einen Halbleiter, der effizient Licht erzeugt und gleichzeitig dem Licht eine bestimmte Drehung gibt, hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Felix Deschler vom Physikalisch-Chemischen Institut der Universität Heidelberg entwickelt. Dieses sogenannte chirale hybride Perowskit-Material birgt nach Angaben der Wissenschaftler ein hohes technologisches Potential, das in Anwendungen der Optoelektronik, Telekommunikation und Informationsverarbeitung zum Einsatz kommen kann.

Die Erzeugung von hellem, zirkular polarisiertem Licht ist ein seit langem angestrebtes Ziel in der Materialwissenschaft. Es gilt als äußerst anspruchsvoll, sowohl eine ausgeprägte Chiralität – die die Drehung des Lichts in eine bestimmte Richtung beschreibt – als auch eine hohe Quantenausbeute der Photolumineszenz (PLQE) zu erreichen. Die Kennzahl PLQE gibt die Fähigkeit eines Materials zur Lichtemission an. Anorganische Halbleiter können zwar eine hohe Helligkeit erzeugen, weisen jedoch in der Regel nur eine geringe Lichtpolarisation auf. Im Gegensatz dazu zeigen organische molekulare Halbleiter zwar eine hohe Polarisation, aber ihre Helligkeit wird oft durch Verluste aufgrund von dunklen Zuständen eingeschränkt. „Ein Material, das die hohe Quantenausbeute der Lumineszenz von anorganischen Halbleitern und die starke Chiralität von organischen Molekülsystemen wirklich vereint, fehlte bisher“, so Felix Deschler.

Um die angestrebte Helligkeit bei gleichzeitig hoher Polarisation zu erzielen, hat die Heidelberger Forschungsgruppe einen hybriden Metallhalogenid-Perowskit-Halbleiter mit geschichteter Struktur entwickelt. Hierfür haben die Forscherinnen und Forscher ein maßgeschneidertes chirales organisches Molekül als Hybridkomponente in die Perowskit-Struktur integriert. Durch die Verwendung eines kleinen aromatischen Moleküls mit einem präzise platzierten Halogenatom im aromatischen Ring entstanden dabei neuartige chirale Perowskite mit der Struktur-Bezeichnung R/S-3BrMBA2PbI4. „Die Fähigkeit, die Struktur so stark zu verändern und gleichzeitig eine gute Materialleistung beizubehalten, unterstreicht die Fähigkeit der Perowskit-Materialien, Verzerrungen im Kristallgitter zu tolerieren“, erläutert Doktorand Shangpu Liu.

Kristalle der chiralen hybriden Perowskite.
(c) Uni Heidelberg

Aufgrund ihrer stärker verzerrten Kristallstrukturen weisen chirale 3BrMBA2PbI4-Perowskite selbst bei Raumtemperatur einen deutlich verbesserten Grad an zirkular polarisierter Lumineszenz auf als andere Materialien. Mithilfe von hochentwickelten ultraschnellen Laserspektroskopie-Messungen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Prozesse hinter der Erzeugung dieses besonderen Lichts auflösen. Die jetzt gefundenen Werte für Polarisation und Helligkeit übertreffen die Zahlen, die von zuvor verwendeten chiralen Halbleitern bekannt sind.

Die Forscherinnen und Forscher konnten zudem zeigen, dass die neuartigen Materialien sehr vielversprechend für Anwendungen sind, die auf zirkular polarisiertes Licht angewiesen sind. Sie implementierten die Materialien bereits in Lichtdetektoren, die die Chiralität des einfallenden Lichts erfassen und unterscheiden können. Darüber hinaus entwickelte das Forschungsteam Leuchtdioden, mit denen aus Strom Licht erzeugt werden kann.

Die Forschungsarbeiten wurden im Rahmen des ERC Starting Grants „Twisted Perovskites – Control of Spin and Chirality in Highly-luminescent Metal-halide Perovskites“ unter Leitung von Prof. Deschler durchgeführt. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse der Forschungen in „Science Advances“.

Kontakt:
Universität Heidelberg
Kommunikation und Marketing
Pressestelle, Telefon (06221) 54-2311
presse@rektorat.uni-heidelberg.de

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Felix Deschler
Physikalisch-Chemisches Institut
Telefon +49 6221 54-8726
deschler@uni-heidelberg.de

Originalpublikation:

S. Liu, M. Kepenekian, S. Bodnar, S. Feldmann, M. W. Heindl, N. Fehn, J. Zerhoch, A. Shcherbakov, A. Pöthig, Y. Li, U. W. Paetzold, A. Kartouzian, I. D. Sharp, C. Katan, J. Even and F. Deschler: Bright Circularly-Polarized Photoluminescence in Chiral Layered Hybrid Lead-Halide Perovskites. Science Advances (1 September 2023). DOI: 10.1126/sciadv.adh5083

Weitere Informationen:

http://www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/chemgeo/pci/deschler – Forschungsgruppe Felix Deschler

https://www.uni-heidelberg.de/de/newsroom/zirkular-polarisiertes-licht-erzeugen

Media Contact

Marietta Fuhrmann-Koch Kommunikation und Marketing
Universität Heidelberg

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues Wirkprinzip gegen Tuberkulose

Gemeinsam ist es Forschenden der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und der Universität Duisburg-Essen (UDE) gelungen, eine Gruppe von Molekülen zu identifizieren und zu synthetisieren, die auf neue Art und Weise gegen…

Gefahr durch Weltraumschrott

Neue Ausgabe von „Physikkonkret“ beleuchtet Herausforderungen und Lösungen für eine nachhaltige Nutzung des Weltraums. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) veröffentlicht eine neue Ausgabe ihrer Publikationsreihe „Physikkonkret“ mit dem Titel „Weltraumschrott:…

Wasserstoff: Versuchsanlage macht Elektrolyseur und Wärmepumpe gemeinsam effizient

Die nachhaltige Energiewirtschaft wartet auf den grünen Wasserstoff. Neben Importen braucht es auch effiziente, also kostengünstige heimische Elektrolyseure, die aus grünem Strom Wasserstoff erzeugen und die Nebenprodukte Sauerstoff und Wärme…

Partner & Förderer