Wie sich Daten dauerhaft sichern lassen

Ein Konzept der optischen Langzeitdatenspeicherung in Siliziumkarbid. Die Informationen werden mit einem fokussierten Ionenstrahl in optisch aktive atomare Defekte geschrieben und mit Hilfe der Kathodolumineszenz oder Photolumineszenz gelesen.
(c) M. Hollenbach, H. Schultheiß

Defekte im atomaren Maßstab ermöglichen langfristige Datenspeicherung.

Dank Internet, sozialer Medien und des Cloud-Computing steigt die Menge der täglich weltweit erzeugten Daten sprunghaft an. Das erfordert neue Technologien, die eine höhere Speicherdichte in Verbindung mit einer sicheren Langzeitarchivierung gestatten, die weit über die Möglichkeiten herkömmlicher Datenspeicher hinausgeht. Ein Forschungsteam unter Leitung des HZDR schlägt nun ein neues Konzept der Langzeit-Datenspeicherung vor, das auf atomaren Defekten in Siliziumkarbid beruht. Diese Defekte werden durch einen fokussierten Ionenstrahl erzeugt, der präzise Details, eine hohe Schreibgeschwindigkeit und eine geringe Energie für die Speicherung eines einzelnen Bits gewährleistet.

Jüngste Schätzungen gehen davon aus, dass jeden Tag rund 330 Millionen Terabyte an neuen Daten entstehen, wobei 90 Prozent der weltweiten Daten allein auf die letzten beiden Jahre entfielen. Auch wenn die schieren Zahlen bereits die Notwendigkeit fortschrittlicher Datenspeicher-Technologien verdeutlichen, ist dies bei weitem nicht das einzige Problem, das mit dieser Entwicklung einhergeht. „Die begrenzte Speicherzeit aktueller Medien erfordert eine Datenmigration innerhalb weniger Jahre, um Verluste zu vermeiden. Abgesehen davon, dass wir in ewigen Datenmigrations-Prozeduren gefangen sind, erhöht dies den Energieverbrauch erheblich, da bei diesem Prozess eine beträchtliche Menge an Energie verbraucht wird“, erläutert Dr. Georgy Astakhov vom Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR.

Um diese drohende Krise zu entschärfen, stellt Astakhovs Team nun ein neues Konzept der Langzeit-Datenspeicherung vor, das auf atomaren Defekten in Siliziumkarbid beruht. Diese Defekte werden durch einen fokussierten Strahl von Protonen oder Helium-Ionen eingearbeitet und mit Hilfe von Lumineszenzmechanismen, die mit den Defekten verbunden sind, ausgelesen.

Herkömmliche Speichergeräte werden durch die Physik ausgebremst

Derzeit sind Magnetspeicher die erste Wahl, wenn es um Speicherlösungen mit großen Kapazitäten geht, wobei die Gesetze der Physik die Grenzen der erreichbaren Speicherdichte setzen. Um sie zu erhöhen, müssen die magnetischen Partikel schrumpfen. Doch dann gewinnen thermische Fluktuationen und Diffusionsprozesse im Material an Bedeutung, was sich wiederum negativ auf die Speicherdauer auswirkt. Eine Anpassung der magnetischen Eigenschaften des Materials könnte diesen Effekt unterdrücken, aber das hat seinen Preis: eine höhere Energie für die Speicherung von Informationen. Und auch für das optische Auslesen von gespeicherten Informationen gibt es physikalische Beschränkungen. Aufgrund der sogenannten Beugungsgrenze ist das kleinste aufzeichnende Bit in seiner Größe eingeschränkt: Seine Ausmaße können nicht kleiner werden als die Hälfte der Lichtwellenlänge, eine Grenze, die damit die maximale Speicherkapazität festlegt. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet die mehrdimensionale optische Aufzeichnung.

Siliziumkarbid weist Defekte auf atomarer Ebene auf, insbesondere Siliziumatome fehlen in der Gitterstruktur. Die Defekte werden durch einen fokussierten Protonen- oder Helium-Ionenstrahl erzeugt, der eine hohe Ortsauflösung, eine hohe Schreibgeschwindigkeit und eine geringe Energie für die Speicherung eines einzelnen Bits ermöglicht. „Die Beugungsgrenze der Speicherdichte, die für optische Medien typisch ist, gilt auch in unserem Fall. Wir überwinden sie durch vierdimensionale Codierungsverfahren. Dabei werden die drei Raumdimensionen und eine zusätzliche vierte Dimension der Intensität gesteuert, indem wir die seitliche Position, Tiefe und Anzahl der Defekte variieren. Anschließend lesen wir die gespeicherten Daten mittels der durch Anregung hervorgerufenen Photolumineszenz optisch aus. Darüber hinaus kann die räumliche Speicherdichte durch fokussierte Elektronenstrahl-Anregung, die eine beobachtbare Kathodolumineszenz hervorruft, deutlich verbessert werden“, hebt Astakhov einige herausragende Merkmale seiner Methode hervor.

Daten über Generationen hinweg speichern

Die gespeicherten Informationen könnten je nach den Bedingungen, unter denen das Medium aufbewahrt wird, wieder aus den Defekten verschwinden, doch die Wissenschaftler*innen haben bezüglich ihres Materials gute Nachrichten: „Dieses Abschalten von Defekten ist von der Umgebungstemperatur abhängig. Unsere Beobachtungen deuten auf eine Mindest-Archivierzeit von einigen Generationen unter normalen Bedingungen hin“, sagt Astakhov. Und es gibt noch mehr: Mit Nahinfrarot-Laseranregung, modernen Kodierungstechniken und mehrschichtiger Datenspeicherung, nämlich dem Übereinanderstapeln von bis zu zehn Siliziumkarbidschichten, erreicht das Team eine flächige Speicherdichte, die der von Blu-ray-Discs entspricht. Schaltet man für das Auslesen der Daten auf Elektronenstrahl-Anregung anstelle von optischer Anregung um, entspricht die so erreichbare Grenze der derzeitigen Rekord-Flächenspeicherdichte eines Prototyp-Magnetbandes, das allerdings eine kürzere Speicherdauer und einen höheren Energieverbrauch aufweist.

Für diese Arbeit schlossen sich die Rossendorfer mit Forschenden der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Deutschland), des Jet Propulsion Laboratory des California Institute of Technology (USA), des National Institutes for Quantum Science and Technology (Japan) und der Universität Tōhoku (Japan) zusammen. Der konzeptionelle Ansatz des Teams ist dabei nicht auf Siliziumkarbid beschränkt und kann auf andere Materialien mit optisch aktiven Defekten, einschließlich zweidimensionalen Materialien, ausgeweitet werden.

Publikation:
M. Hollenbach, C. Kasper, D. Erb, L. Bischoff, G. Hlawacek, H. Kraus, W. Kada, T. Ohshima, M. Helm, S. Facsko, V. Dyakonov, G. V. Astakhov, Ultralong-term high-density data storage with atomic defects in SiC, in Advanced Functional Materials, 2024 (DOI: 10.1002/adfm.202313413)

Weitere informationen:
Dr. Georgy Astakhov | Leiter Quantentechnologien
Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
Tel.: +49 351 260 3894 | E-Mail: g.astakhov@hzdr.de

Medienkontakt:
Simon Schmitt | Leitung und Pressesprecher
Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
Tel.: +49 351 260 3400 | Mobil: +49 175 874 2865 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de

Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
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Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
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