Das Walisisch Boliviens

Rund zwei Drittel der derzeit weltweit gesprochenen 6.500 Sprachen laufen Gefahr, in den nächsten ein bis zwei Generationen zu verschwinden. So auch die Uru-Chipaya-Sprachen: Nur etwa 1.000 Menschen in Bolivien und einige wenige in Peru können sich in ihnen noch verständigen. Wissenschaftler der Universität Bonn wollen in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Bolivien die Uru-Chipaya-Sprachen für die heutige und spätere Generationen dokumentieren. Neben einer umfassenden multimedialen Erfassung planen sie auch, einheimische Lehrer bei der Entwicklung von Materialien für den Sprachunterricht zu unterstützen. Eine erste Studie wird von der Volkswagenstiftung mit 50.000 Euro gefördert.

Sprachen sind nicht nur Kommunikationsmittel, sondern verraten auch viel über Vorstellungen und Kultur einer Volksgruppe – ob durch Redewendungen, grammatische Konstruktionen oder einfach durch das Vokabular. „Mit einer Sprache geht immer ein Stück Vielfalt und kulturelle Identität verloren“, bedauert Dr. Sabine Dedenbach-Salazar, die das Projekt von Bonner Seite betreut. Das von der Volkswagenstiftung eingerichtete Programm „Dokumentation bedrohter Sprachen“ versucht, die Zeugnisse dieser meist nur mündlich vermittelten Sprachkulturen vor ihrem spurlosen Verschwinden in einem elektronischen Archiv aufzuzeichnen: mit Tonband, Videokamera, Fotoapparat und Notizblock. Die Stiftung fördert insgesamt zehn Projekte für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren; ihre Ergebnisse wollen die Forscher in einer multimedialen Datenbank zusammentragen. Die Archivierung lässt sich sogar von zu Hause aus mitverfolgen: Wer Interesse hat, kann im Internet den Aufbau der Sprachdokumentation begleiten, die unter Leitung des Max-Planck-Institutes in Nijmegen stattfindet.

„Wir wollen in unserem Projekt mit Muttersprachlern kooperieren, damit sie in Workshops und Arbeitsgruppen ihre Sprache und Kultur auch selbst dokumentieren können“, erläutert Dr. Dedenbach-Salazar. Ziel ist es, die Uru-Chipaya-Sprachen, in ihrer Aussprache, Grammatik und Bedeutung, umfassend zu beschreiben. „Wir wollen aber auch, dass die Menschen erkennen, welchen Wert diese Sprachen haben.“ Ein Ziel der Projektpartner aus Bonn und Bolivien ist es daher auch, zur Entwicklung von Unterrichtsmaterialien in Uru-Chipaya beizutragen. „Wir hoffen, in Zusammenarbeit mit den bolivianischen Behörden und einheimischen Lehrern langfristig die Grundlagen für einen zweisprachigen Unterricht legen zu können“, so die Altamerikanistin. Regierungen hätten in der Vergangenheit zwar immer wieder aus Angst vor separatistischen Bestrebungen den Unterricht in indigenen Sprachen nicht gerne gesehen, aber seit einigen Jahren habe sich diese Haltung geändert.

Dass immer mehr Sprachen vom Aussterben bedroht sind, ist eine Folge postkolonialer Politik sowie der „kulturellen Globalisierung“, die einige große Sprachen verstärkt und gleichzeitig unzählige lokale Sprachen gefährdet – auch in Europa, wie die Beispiele „Gälisch“, „Walisisch“ oder „Schwyzzerdütsch“ verdeutlichen. Den Todesstoß versetzen oft der Bau einer Straße, die das entlegene Dorf mit der Welt verbindet, oder auch der erste Fernseher, der das Programm in der Nationalsprache ausstrahlt.

Weitere Informationen: Privat-Dozentin Dr. Sabine Dedenbach-Salazar, Institut für Altamerikanistik und Ethnologie, Tel.: 0228/73-4384, Fax: 0228/73-4385, E-Mail: sdedenba@uni-bonn.de

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Frank Luerweg idw

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