Abstoßende Unordnung: Was macht cholesterinhaltige Oberflächen so abweisend?

Die Collembole Tetrodontophora bielanensis in ihrem natürlichen Lebensraum
(c) Stephan Floss / Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden/NATURE

Forscher des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden, der Universität Leipzig und der TU Dresden haben jetzt entdeckt, warum an cholesterinhaltigen Oberflächen die Anlagerung von Proteinen und Bakterien stark vermindert sein kann. Die Studie wurde bei Nature veröffentlicht.

Lebende Organismen nutzen sehr effektive physikalische Prinzipien, um Wechselwirkungen an ihren Oberflächen zu steuern. Forscher des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden, der Universität Leipzig und der TU Dresden haben jetzt entdeckt, warum an cholesterinhaltigen Oberflächen die Anlagerung von Proteinen und Bakterien stark vermindert sein kann.

Das von Carsten Werner geleitete interdisziplinäre Team hatte Cholesterin zuvor als Bestandteil der Haut von weit verbreiteten wirbellosen Tieren (Collembolen) identifiziert, die durch ihre Haut atmen und diese daher vor Verunreinigungen schützen müssen. In ihrer am 22. Juni 2023 in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Arbeit konnten die Wissenschaftler nun einen repulsiven Wirkmechanismus von cholesterinhaltigen Oberflächen aufklären. Mit Experimenten, Simulationen und thermodynamischen Analysen zeigten sie, wie durch spontane Änderung der Ausrichtung der Cholesterinmoleküle eine „entropische Barriere“ entsteht, die cholesterinhaltige Oberflächen abweisend macht.

Die Entwicklung synthetischer Materialien, die das entdeckte Prinzip nutzen, ist vielversprechend, da es für viele Produkte und Technologien wichtig ist, die Anlagerung von Biomolekülen und Bakterien wirksam zu minimieren. Allerdings erfordert eine solche „Übersetzung“ des Effekts zur skalierbaren, robusten Oberflächenfunktionalisierung weitere Forschungsarbeit.

Am Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden (IPF) werden Grundlagen für neue Materialien und deren Anwendung in Zukunftstechnologien erarbeitet, wobei Biologie-inspirierte Materialkonzepte immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Professur für Biophysikalische Chemie der Universität Leipzig arbeitet eng mit dem IPF auf dem Gebiet der biomimetischen Materialien zusammen. Am Exzellenzcluster Physics of Life der TU Dresden werden Grundprinzipien der Funktionalität lebender Materie erkundet.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Carsten Werner, werner@ipfdd.de

Originalpublikation:

Jens Friedrichs, Ralf Helbig, Julia Hilsenbeck, Prithvi Raj Pandey, Jens-Uwe Sommer, Lars David Renner, Tilo Pompe und Carsten Werner
Entropic repulsion of cholesterol-containing layers counteracts bioadhesion.
https://doi.org/10.1038/s41586-023-06033-4 (2023)

http://www.ipfdd.de

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Kerstin Wustrack Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V.

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