Staus auf den Datenautobahnen des Internets: Lässt sich das verhindern?

Teile des experimentellen Aufbaus zur Vermessung der Nanolaser Foto: Prof. Manfred Bayer, TU Dortmund

Jeder, der schon mal auf der Autobahn im Stau stand, kennt das Phänomen der Clusterbildung. Wenn nur genügend Autos unterwegs sind, und diese mit statistisch zufällig verteilten Geschwindigkeiten fahren, dann ist es wahrscheinlicher, dass sich Gruppen von Autos bilden, die sich gegenseitig ausbremsen.

Damit die Autos genügend weit voneinander entfernt und gleichzeitig mit hoher Geschwindigkeit fahren, müssten sie aufeinander reagieren oder, wie Physiker sagen, in Wechselwirkung treten. Nicht unähnlich könnte es in Zukunft den Photonen (Teilchen, aus denen Lichtstrahlen bestehen) auf den Datenautobahnen des Internets ergehen. Schon heute wird ein großer Teil der Datenübertragung über Glasfaserkabel abgewickelt.

Hierin sind Lichtpulse unterwegs, die durch Halbleiterlaser an den Verbindungsstellen erzeugt werden. Jeder einzelne Lichtpuls enthält viele Tausende von Photonen, deren Ankunft beim Empfänger jeweils ein Datenbit signalisieren.

Davon wird in jedem Gigabit-Netzwerk eine Milliarde pro Sekunde übertragen. Schon aus Gründen der Energieeinsparung in einem rasant wachsenden Internet wird man die Zahl der Photonen in einem Signalpuls immer mehr reduzieren müssen, denn für jedes erzeugte Photon muss eine bestimmte Energiemenge aufgewendet werden.

Schon seit einigen Jahren können Physiker Lichtquellen bauen, bei denen die Lichtpulse nur noch aus wenigen, im Extremfall nur noch aus einzelnen Photonen bestehen. Dies ermöglicht nicht nur große Energieeinsparungen, sondern mit einzelnen Photonen sind auch abhör- und manipulierungsgeschützte Datenübertragungen möglich. Hierzu entwickelt sich gerade ein neues interdisziplinäres Gebiet der Quanteninformationsverarbeitung.

Photonen und Autofahrer mit durchgetretenem Gaspedal haben allerdings eine wichtige Gemeinsamkeit, sie wechselwirken nicht mit ihresgleichen. Photonen tragen damit eine ganz charakteristische Signatur ihres Erzeugungsprozesses.

Physiker aus Dortmund um Professor Manfred Bayer können in ihren Experimenten die in Lichtpulsen auftretenden einzelnen Photonen sichtbar machen, ähnlich den einzelnen Autos im Verkehrsstrom einer Straße. Dabei verwenden sie spezielle Nanolaser, die an der Universität Würzburg in einem Team um Professor Sven Höfling hergestellt werden. Das Besondere an diesen Nanolasern ist, dass ihre Lichtpulse nur wenige Photonen enthalten.

Theoretische Physiker um Professor Frank Jahnke an der Universität Bremen und Professor Jan Wiersig an der Universität Magdeburg konnten zeigen, dass die Photonen eines Nanolasers, den man auf ganz schwache Lichtleistung einstellt, sich so verhalten, wie die Autos auf der vollen Autobahn. Sie zeigen eine charakteristische Clusterbildung: kommt ein Photon, dann gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass gleich noch ein zweites oder weitere unmittelbar danach folgen.

Wird die Ausgangslichtleistung erhöht, dann entstehen zwar mehr Photonen, sie halten jedoch mehr Abstand. Und genau dies zeigen auch die Experimente in Dortmund. Umso bemerkenswerter ist das final gefundene Ergebnis. Eine Verabredung der Quellen (Atome oder Nanoemitter), welche die einzelnen Photonen aussenden, stellt eine äußerst selten anzutreffende Situation dar, die von Physikern als Superradianz bezeichnet wird.

Im Falle von Superradianz, der in den Nanolasern aus Würzburg gefunden wurde, zeigen die Photonen eine Bildung von Super-Clustern. Während so etwas auf der Autobahn den Verkehr total zum Erliegen bringt, rasen die Photonen weiter mit Lichtgeschwindigkeit durch die Glasfasern, allerdings in Verbünden mit ganz charakteristischen Korrelationen. Und gerade mit Korrelationen zwischen Photonen könnte man in Zukunft viel effizienter Informationen im Internet übertragen, statt mit der bisherigen Methode, in der ein ganzer Lichtpuls nur ein einzelnes Bit darstellt.

Die Ergebnisse der Kooperation zwischen den Wissenschaftlern der vier Universitäten Bremen, Dortmund, Magdeburg und Würzburg sind am 10. Mai 2016 in der international sehr renommierten Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlich worden. Der Artikel wird im Verfahren ohne Zugangsbeschränkungen (Open Access) im Internet frei zugänglich veröffentlicht unter: http://www.nature.com/ncomms/2016/160510/ncomms11540/full/ncomms11540.html

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Institut für Theoretische Physik
Prof. Dr. Frank Jahnke
Tel. 0421-218 62050
E-Mail: jahnke@itp.uni-bremen.de

TU Dortmund
Prof. Dr. Manfred Bayer
E-Mail: manfred.bayer@tu-dortmund.de

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Eberhard Scholz idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.uni-bremen.de

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