Wenn das Wasser knapp wird

Um eine Tasse Kaffee auf dem Frühstückstisch zu haben, müssen etwa 140 Liter Wasser eingesetzt werden, für die Erzeugung von einem Kilogramm Weizen sind es im Schnitt schon 1000 Liter, während es ein Kilogramm Käse auf rund 5000 und ein Kilogramm Rindfleisch gar auf 15000 Liter Wasser bringen.

Zum Vergleich: Bei der Herstellung eines Baumwollhemds werden durchschnittlich 2700, bei einem Paar Schuhe 8400 und bei einem Mittelklasse-Auto 400 000 Liter Wasser verbraucht. Das verdeutlicht: mit zunehmendem Wohlstand steigt der Wasserbedarf. Angesichts der Wasserknappheit in vielen Regionen der Erde und einer wachsenden Weltbevölkerung ist ein nachhaltiges Wassermanagement dringend notwendig. Lösungsansätze zeigen eine Hydrologin und eine Sozialwissenschaftlerin von der Goethe-Universität in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ zum Jahr des Planeten Erde.

Wie groß sind die Wasserressourcen auf der Erde und wie nutzt sie der Mensch? Diese Fragen beantwortet Petra Döll, Mitglied des Weltklimarates IPCC und Professorin an der Goethe-Universität, anhand des globalen Modells WaterGAP. Es umfasst Module zur Berechnung der Wassernutzung im Haushalt, für industrielle Zwecke und in der Landwirtschaft. Das hydrologische Modul von WaterGAP berechnet, welche Anteile des Niederschlags durch Verdunstung verloren gehen, als Oberflächenabfluss abfließen, das Grundwasser neu bilden sowie in Boden, Grundwasser und in Oberflächengewässern zwischengespeichert werden und schließlich die Flüsse erreichen. Dabei greift Petra Döll auf eine Vielzahl klimatischer und physio-geografischer Daten zurück, zum Beispiel auf Zeitreihen des Niederschlags und Daten zur Wasserspeicherkapazität des Bodens.

Eine Ergänzung zu WaterGAP ist das neue, noch vor seiner Fertigstellung hoch begehrte globale Modell des Wasserbedarfs und der Produktion von Feldfrüchten. Es berechnet nicht nur den Wasserbedarf, der durch Bewässerungswasser (blaues Wasser) gedeckt wird, sondern auch den Anteil des Regenwassers, der durch die Verdunstung über die Pflanzenblätter verloren geht (grünes Wasser). Das Modell basiert auf einem neu entwickelten globalen Datensatz landwirtschaftlicher Anbauflächen für den Zeitraum um das Jahr 2000, der für 26 Feldfruchttypen (zum Beispiel Weizen oder Baumwolle) angibt, in welchem Monat welche Flächen unter bewässerten und nichtbewässerten Bedingungen bebaut werden.

Aufgrund dieser Modelle kann Petra Döll angeben, in welchen Regionen Wasserknappheit droht. Sie berechnet sich aus dem Verhältnis von Wasserentnahmen zu erneuerbaren Wasserressourcen. Es zeigt sich, dass nicht nur die trockenen Einzugsgebiete unter Wasserknappheit leiden, sondern auch dicht besiedelte Gebiete in wohlhabenden Ländern der humiden Klimazone. Dort führen die hohen Wasserentnahmen allerdings nicht zu einer physischen Wasserknappheit, sondern der Indikator drückt die allgemeine Belastung der natürlichen Wasserressourcen aus, da zwar ein Großteil des dort vorwiegend für Haushalte und Industrie entnommenen Wassers wieder in die Gewässer zurückfließt, jedoch in mehr oder weniger stark veränderter Qualität.

Wasserprobleme sind aber nicht nur ein Frage der örtlichen Ressourcen, sondern auch gesellschaftlich bedingt. Insofern bedarf es mehr als technischer Lösungen. „Problemzugänge müssen auch das Zusammenwirken sozialer und ökologischer Dynamiken im Blick behalten,“ weiß Dr. Diana Hummel vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) und Lehrbeauftragte an der Goethe Universität. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „CuveWaters“, das vom ISOE koordiniert wird, steht beispielhaft für diesen neuen integrierten, transdisziplinären Ansatz. Im Norden Namibias liegt das Cuvelai-Etosha-Basin, ein Gebiet rund sechsmal so groß wie Hessen, in dem mit etwa 800 000 Menschen fast die Hälfte der Bevölkerung Namibias lebt. Das Wasserangebot schwankt dort erheblich: Ausgeprägte Dürren oder Trockenperioden wechseln mit teilweise starken Überflutungen zum Ende der Regenzeit. Häufig sind bisher erschlossene Grundwasservorkommen zu salzhaltig, so dass Trinkwasser über ein Fernleitungssystem aus dem namibisch-angolanischen Grenzfluss Kunene entnommen wird. Damit entsteht eine Abhängigkeit von Angola und seiner politischen und wirtschaftlichen Entwicklung.

Hohes Bevölkerungswachstum, extreme Siedlungsdichte und anhaltende Urbanisierung erschweren darüber hinaus vielfach die nachhaltige Versorgung mit Trinkwasser und sanitären Einrichtungen. Um die Lebensbedingungen im Cuvelai-Etosha-Basin zu verbessern, entwickelt das Projektteam aus insgesamt über 20 namibischen und deutschen Wissenschaftlern ein Konzept mit dem Ziel, die Wassernutzung zu optimieren und gleichzeitig die regionale Entwicklung zu fördern. Dabei sollen verstärkt lokale Wasserressourcen genutzt und die Wasserproduktivität erhört werden. Dies trägt dazu bei, die Konkurrenz um das Kunene-Wasser zu entschärfen und die Verteilung des Wassers zu optimieren.

Im ländlichen Siedlungsbereich Epyeshona soll beispielsweise künftig Regenwasser auf Dächern gesammelt werden. Andere ländliche Regionen, die nicht an die Fernwasserleitung angeschlossen sind, sollen dezentral über Grundwasser versorgt werden, das mithilfe von solarbetriebenen Anlagen entsalzt wird. Im städtischen Raum wurde für ein formal nicht genehmigtes Siedlungsgebiet, in dem bisher kaum Sanitäranlagen bestehen, ein Konzept für ein modernes Sanitärzentrum entwickelt. Hier wird Abwasser als Ressource genutzt, indem in einem anaeroben Reinigungssystem Biogas produziert und das verbleibende, gereinigte Abwasser gleichzeitig als Bewässerungswasser und als Bodennährstofflieferant genutzt wird.

Bei der Auswahl von Standorten und der Gestaltung dieser Techniken wird nicht nur naturwissenschaftlich-technische Expertise und sozial-empirische Forschung vernetzt. Durch Workshops vor Ort werden zudem auch alle relevanten Akteure wie Bauern und Dorfbewohner sowie die lokale Administration und traditionelle Autoritäten von Anfang an einbezogen. Die Umsetzung der Maßnahmen soll in einer für 2009 anstehenden zweiten Projektphase erfolgen.

Wissenschaftsmagazin Forschung Frankfurt 3/2008
Schwerpunkt „Planet Erde“
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(Erscheint am 15.12.08):
steier@pvw.uni-frankfurt.de
Informationen: Prof. Petra Döll, Institut für Physische Geographie, Campus Riedberg, Tel. (069) 798-40219, p.doell@em.uni-frankfurt.de
Dr. Diana Hummel, Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), Tel. (069) 7076919-33, hummel@isoe.de und

Dr. Alexandra Lux, Tel. (069) 707691927, lux@isoe.de.

Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 von Frankfurter Bürgern gegründet, ist sie heute eine der zehn größten Universitäten Deutschlands. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Rund um das historische Poelzig-Ensemble im Frankfurter Westend entsteht derzeit für rund 600 Millionen Euro der schönste Campus Deutschlands. Mit über 50 seit 2000 eingeworbenen Stiftungs- und Stiftungsgastprofessuren nimmt die Goethe-Universität den deutschen Spitzenplatz ein. In drei Forschungsrankings des CHE in Folge und in der Exzellenzinitiative zeigte sie sich als eine der forschungsstärksten Hochschulen.

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