Süßes Wasser unter salzigem Ozean

Seit dem 6. November untersuchen 25 WissenschaftlerInnen aus 11 Ländern mehr als 1,3 Kilometer Sedimentkerne, die im vergangenen Sommer während einer Expedition des Integrierten Ozean-Bohrprogramms (IODP) in den flachen Gewässern vor der Küste des US-Bundesstaats New Jersey erbohrt wurden. Auf einer Pressekonferenz, die heute im IODP Bohrkernlager an der Universität Bremen stattfand, präsentierten die beteiligten ForscherInnen erste Ergebnisse ihrer Analysen.

„Während der Expedition haben wir eine nahezu vollständige Abfolge von Meeresablagerungen erbohrt, die den Zeitraum von 14 bis 35 Millionen Jahre vor heute abdecken“, sagt Prof. Gregory Mountain, Geowissenschaftler an der Rutgers-Universität New Jersey/USA und einer der beiden wissenschaftlichen Expeditionsleiter. „Alles in allem haben wir an drei Bohrlokationen, die sich 45 bis 65 Kilometer vor der Küste New Jerseys befanden, 1.311,4 Meter Sedimentkerne gewonnen. Dabei reichte das längste Bohrloch mehr als 756 Meter tief.“

Mit Hilfe der erbohrten Meeresablagerungen kann das internationale Forscherteam herausfinden, wann bzw. wie stark und wie schnell der Meeresspiegel fiel und wieder anstieg – und dies für einen Zeitraum, in dem der antarktische Eisschild anwuchs und wieder abschmolz. Die Untersuchun¬gen in den Bremer Labors ergaben, dass die Sedimentkerne auch Überreste ehemaliger Sandstrände und kontinentaler Böden enthalten. Aus diesen und anderen Indizien leiten die ForscherInnen ab, dass der Meeresspiegel im besagten Zeitraum um bis zu einhundert Meter schwankte. Insgesamt konnten für die Zeit zwischen 14 bis 35 Millionen Jahren vor heute 10 Zyklen identifiziert werden, in denen der Meeresspiegel zunächst anstieg, bevor er wieder abfiel – mit dem Ergebnis, dass die Küstenlinie New Jerseys sich drastisch seewärts verlagerte.

„Zu unserer großen Überraschung sind wir an allen drei Bohrstellen auf Süßwasserlinsen gestoßen, die sich bis zu 400 Meter unterhalb des Meeresbodens befinden“, sagt Expeditionsleiter Dr. Jean-Noël Proust von der französischen Universität Rennes. Das Süßwasser sammelt sich in mikroskopisch kleinen Poren zwischen den Ton- und Sandpartikeln. „Es überrascht uns schon, dass diese Linsen mehr als 100 Meter mächtig sind. Wir nehmen an, dass die Linsen, die heute 50 Kilometer vor der Küste liegen, während der letzten Eiszeit vor mehr als 12.000 Jahren entstanden sind, als der Meeresspiegel abgesunken war und die Küstenlinie New Jerseys zeitweise seewärts unserer Bohrlokationen verlief.“

Die Küstengewässer des US-Bundesstaats eignen sich besonders gut für die Erforschung von Meeresspiegelschwankungen. Zwei große Flüsse sorgten in der Erdvergangenheit dafür, dass viel Sediment von Land in den Ozean gespült wurde. Heute können diese Ablagerungen als hervorragende Archive der Erdgeschichte genutzt werden. Zudem ist die Region tektonisch stabil: die Eigenbewegungen der Nordamerikanischen Erdplatte beeinflusst die Schwankungen des Meeresspiegels kaum. Schließlich lagen die Bohrstellen der Expedition im Zentrum des flachen Küstenmeers vor New Jersey. Daher sind in den Sedimenten sowohl Phasen mit steigendem als auch mit fallendem Meeresspiegel gut archiviert.

Die Auswertung der Expedition in Bremen wird voraussichtlich am 5. Dezember abgeschlossen sein. Die mehr als 14.000 Proben, die bislang den Sedimentkernen entnommen wurden, werden von den beteiligten WissenschaftlerInnen in deren Heimatlabors während der kommenden Monate und Jahre weiter untersucht.

Die „New Jersey Shallow Shelf Expedition“ ist ein europäischer Beitrag zum IODP. Sie wird von ECORD, dem European Consortium for Ocean Research Drilling getragen. In diesem Konsortium arbeiten 16 europäische Nationen sowie Kanada zusammen. Das IODP wird von Japan, den USA, China, Südkorea und dem europäischen Konsortium getragen. Australien, Neuseeland, Indien zählen zu assoziierten Mitgliedern dieses weltweit größten Meeresforschungsprogramms. Die Expedition wurde zudem vom ICDP, dem Interkontinentalen Bohrprogramm, unterstützt.

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