Leistungselektronik für die Energiewende

Im Multi-Megawatt-Labor werden Komponenten und Systeme bis 10 MVA getestet. Fraunhofer ISE/Dirk Mahler

»Im Energiesystem der Zukunft, in dem statt weniger großer Kraftwerke viele Wind- und Solaranlagen mit fluktuierender Erzeugung ins Netz einspeisen, wird die Leistungselektronik auf allen Netzebenen zu einem dominierenden Baustein. Wir benötigen neuartige Komponenten und Funktionen, damit Wechselrichter die Stromnetze der Zukunft zuverlässig und sicher regeln und stabilisieren können«, erklärt Prof. Hans-Martin Henning, Leiter des Fraunhofer ISE.

Zu den Herausforderungen gehört vor allem die Entwicklung neuartiger Komponenten und Systeme für die Leistungselektronik mit deutlich erweiterten Eigenschaften. Dafür werden in zunehmendem Maß Silicium-Karbid- und Gallium-Nitrid-basierte Leistungshalbleiter eingesetzt.

Diese arbeiten mit hohen Taktfrequenzen und ermöglichen dadurch höhere Leistungsdichten. Auch neue Netzdienstleistungen werden erforscht, insbesondere hinsichtlich der Stabilität von zukünftigen, wechselrichter-basierten Netzen. Nicht zuletzt stehen Prüfverfahren zur Netzdienlichkeit von Wechselrichtern im Vordergrund, wie beispielsweise zur Spannungs- und Frequenzhaltung.

Weitere Eigenschaften wie z.B. die aktive Bekämpfung von Resonanzen in Kraftwerken und Stromnetzen oder die spannungsbildenden Eigenschaften von Wechselrichtern werden in naher Zukunft ebenfalls wachsende Bedeutung erlangen.

Eine Kleinstadt im Labor

Mit dem neuen Zentrum in Freiburgs Industriegebiet Nord erhöht das Fraunhofer ISE seine Labor- und Bürofläche um insgesamt 3000 qm. Drei Labors decken die verschiedenen Bereiche der Leistungselektronik ab: Im Power Converters Lab werden Systeme für den Niederspannungsbereich entwickelt wie z. B. für PV-Anlagen, Batterien, Elektromobilität und Luftfahrt. Im Medium Voltage Lab wird Leistungselektronik für den Mittelspannungsbereich entwickelt und getestet.

Ein speziell eingerichtetes Labor ermöglicht den Betrieb von Mittelspannungssystemen mit einer Leistung bis zu 20 MVA. Im Multi-Megawatt Lab können parallele Versuche durchgeführt werden. Die verschiedenen Prüffelder ermöglichen den Betrieb von bis zu 10 MVA und 1000 V, beispielsweise von Windkraft-Anlagen, großen Batteriespeichern oder BHKWs.

Die insgesamt anliegende Leistung von 40 MVA entspricht der Anschlussleistung einer Kleinstadt von etwa 50.000 Einwohnern. Das Zentrum verfügt dabei über einen eigenen Forschungsanschluss, der komplett vom Netz des umliegenden Industriegebiets getrennt ist.

Ergänzt wird die FuE-Infrastruktur durch das noch im Aufbau befindliche Digital Grid Lab für Simulationen von Lastprofilen und Energiemanagementsystemen, das im Hauptgebäude des Fraunhofer ISE als Weiterentwicklung des heute dort beheimateten Smart Energy Lab entsteht.

Im Digital Grid Lab wird das Fraunhofer ISE seine Kompetenzen im Bereich Netzsimulation und Echtzeitkommunikationsumgebungen erweitern und das Verhalten von Geräten oder Anlagen an Netzknotenpunkten ausführlich untersuchen können.

Entwickeln, Testen, Zertifizieren

Mit dem unabhängigen TestLab Power Electronics (zertifiziert nach DIN 17025:2005) kann das Fraunhofer ISE seinen Industriekunden am neuen Standort nun Entwicklung, Tests, Ertüchtigung und Zertifizierung von Komponenten und Systemen bis in den Multimegawatt- und den Mittelspannungsbereich anbieten. Eine speziell ausgelegte »Over and Under Voltage Ride Through«-Anlage erlaubt die dynamische Variierung der Spannung, um partikulare Netzsituationen wie Über- oder Unterspannungen zu simulieren oder Situationen mit besonderen Netzimpedanzen nachzubilden.

Mit vier verschiedenen Prüffeldern und voneinander unabhängigen Transformatoren können mehrere Aggregate parallel getestet, aber auch zum Verbundbetrieb in Mikro-Grids zusammengeschaltet werden. »Damit können wir zukünftige Forschungsthemen wie beispielsweise wechselrichterbasierte Netze, hybride Stromversorgungen und große Speichersysteme adressieren«, so Dr. Olivier Stalter, Geschäftsbereichsleiter Leistungselektronik, Netze und intelligente Systeme am Fraunhofer ISE.

Für das Vorhaben wurden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) rund 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das Fraunhofer ISE investierte weitere 5 Millionen Euro in das neue Labor.

https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2019/leis…

Media Contact

Karin Schneider Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Energie und Elektrotechnik

Dieser Fachbereich umfasst die Erzeugung, Übertragung und Umformung von Energie, die Effizienz von Energieerzeugung, Energieumwandlung, Energietransport und letztlich die Energienutzung.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Windenergie, Brennstoffzellen, Sonnenenergie, Erdwärme, Erdöl, Gas, Atomtechnik, Alternative Energie, Energieeinsparung, Fusionstechnologie, Wasserstofftechnik und Supraleittechnik.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Das Mikrobiom verändert sich dynamisch und begünstigt wichtige Funktionen für den Wirt

Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Kieler SFB 1182 untersucht am Beispiel von Fadenwürmern, welche Prozesse die Zusammensetzung des Mikrobioms in Wirtslebewesen steuern. Alle vielzelligen Lebewesen – von den einfachsten tierischen und…

Wasser im Boden – genaue Daten für Landwirtschaft und Klimaforschung

Die PTB präsentiert auf der Woche der Umwelt, wie sich die Bodenfeuchte mithilfe von Neutronenstrahlung messen lässt. Die Bodenfeuchte hat nicht nur Auswirkungen auf die Landwirtschaft, sondern ist als Teil…

Bioreaktor- und Kryotechnologien für bessere Wirkstofftests mit humanen Zellkulturen

Medizinische Wirkstoffforschung… Viele Neuentwicklungen von medizinischen Wirkstoffen scheitern, weil trotz erfolgreicher Labortests mit Zellkulturen starke Nebenwirkungen bei Probanden auftreten. Dies kann passieren, wenn zum Beispiel die verwendeten Zellen aus tierischem…

Partner & Förderer