Wie Zellen unsere Organe dichthalten

Entstehung der Gewebebarriere: Ein Protein, nötig für die Herstellung der Gewebebarriere, wurde mit fluoreszierendem Farbstoff markiert und mit Hilfe von Fluoreszenzmikroskopie live verfolgt. Beutel et al.

Unsere Organe sind spezialisierte Kompartimente mit jeweils eigenem Milieu und Funktion. Um unsere Organe nach außen abzudichten, müssen die Zellen im Epithelgewebe eine Barriere bilden, die sogar für Moleküle dicht ist. Diese Barriere wird durch einen Proteinkomplex gebildet, der alle Zellen lückenlos miteinander „verklebt“.

Der Verlust dieser Barriere kann durch das Eindringen von Krankheitserregern in unser internes System zu schweren Krankheiten führen. Da die Gewebebarriere für die Funktion unserer Organe von zentraler Bedeutung ist, ist es wichtig zu verstehen, wie diese Barrieren zwischen Zellen hergestellt werden.

Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden entdeckten, dass die Bildung der Barriere ein selbst organisierter Prozess ist, der dem Beschlagen eines Fensters ähnelt. Bestimmte Proteine kondensieren als Tröpfchen auf der Zellmembran, wenn sich benachbarte Zellen berühren.

Diese Tröpfchen reichern alle Komponenten an, die für den Aufbau einer stabilen Barriere erforderlich sind. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht.

Die Oberfläche unserer Organe ist mit einer Schicht Epithelzellen bedeckt. Diese Zellen spielen eine wichtige Rolle beim Schutz unserer Organe, bei der Anpassung an eine sich verändernde Umwelt und beim Transport von Molekülen in das Gewebe herein und heraus.

Dabei versiegeln enge Verbindungspunkte das Epithelgewebe, die als molekulare Barriere zwischen den Zellen dienen. Eine zentrale Frage für die Wissenschaftler war, wie sich dieser molekulare Komplex stabil zwischen den Zellen zusammensetzt. Das Team um den Forschungsgruppenleiter Alf Honigmann am MPI-CBG wollte die Bausteine finden, die erklären könnten, wie solche dichten Zellverbindungen aufgebaut werden.

Ein wichtiger Baustein ist die Familie der ZO-Proteine, die sich auf der Innenseite der Zellen befinden. Mit einer Kombination aus Mikroskopie von Gewebe, Gentechnik und Biochemie konnten die Forscher herausfinden, dass die Proteine Bereiche enthalten, die es ihnen ermöglichen, sich aneinander zu haften und Tröpfchen auf der Membran von Epithelzellen zu bilden.

Mit dieser Fähigkeit ausgestattet, können ZO-Proteinen sich sammeln und dabei selektiv Adhäsionsproteine binden, die für das Abdichten der Zellverbindungen benötigt werden. Oliver Beutel, der Erstautor der Studie, erklärt:

„Dieser Prozess ähnelt dem Phänomen, wenn Wasser auf einem kalten Glasfenster kondensiert und dabei spontan Flüssigkeitströpfchen bildet. Wenn sich benachbarte Zellen berühren, dann kondensieren die ZO-Proteine auf der Innenseite von den Zellmembranen in ein Netzwerk aus Tröpfchen, in denen alle notwendigen Komponenten gesammelt werden, die für die Abdichtung der Zellzwischenräume benötigt werden.“

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Selbstorganisation von ZO-Proteinen dem Aufbau und der Funktion von dichten Zellverbindungen zugrunde liegt.

Alf Honigmann, der Leiter der Studie, schlussfolgert: „Diese Studie zeigt uns einen wichtigen Mechanismus, wie Epithelzellen unsere Organe abdichten. Unsere Arbeit an diesem Proteinkomplex veranschaulicht die Prinzipien, wie Zellen einfache physikalische Phänomene wie Kondensation dazu nutzen, um komplexe Molekularstrukturen aufzubauen.“

Er fügt hinzu: „Unsere Ergebnisse eröffnen spannende Möglichkeiten, wie sich diese Zellverbindungen während Gewebewachstum und -reparatur schnell umstrukturieren lassen.“

Dr. Alf Honigmann
+49 (0) 351 210 2969
honigmann@mpi-cbg.de

Oliver Beutel, Riccardo Maraspini, Karina Pombo-García, Cécilie Martin-Lemaitre, Alf Honigmann: “Phase Separation of Zonula Occludens Proteins Drives Formation of Tight Junctions” Cell, 31. Oktober, 2019, doi: https://doi.org/10.1016/j.cell.2019.10.011

http://www.mpi-cbg.de/en/research-groups/current-groups/alf-honigmann/research-f…

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Katrin Boes Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik

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