Wasser ist homogener als gedacht

Mit Röntgenlicht (blau) werden Wassermoleküle angeregt. Aus dem abgestrahlten Licht (lila) lassen sich Informationen über Wasserstoffbrücken gewinnen. T. Splettstoesser/HZB

Wasser ist das „Element“ des Lebens, die meisten biologischen Prozesse sind auf Wasser angewiesen. Dennoch gibt Wasser noch immer Rätsel auf. So dehnt es sich aus, wenn es gefriert und zeigt weitere Anomalien, wenn sich Temperatur oder Druck verändern.

Das sogenannte Phasendiagramm von Wasser ist relativ komplex. Wilhelm Conrad Röntgen hatte Ende des 19.ten Jahrhunderts eine Erklärung dafür vorgeschlagen: Flüssiges Wasser könnte aus einer Mischung von zwei unterschiedlichen Phasen bestehen, in einer befänden sich die Wassermoleküle in einem geordneten Zustand so wie im Eis, in der anderen Phase dagegen wären die Wassermoleküle völlig ungebunden wie in einem Gas.

Röntgen selbst hatte Zweifel an diesem „Mischungsmodell“. Denn es ist deutlich komplizierter als das „Kontinuumsmodell“, das davon ausgeht, dass sich in flüssigem Zustand die Wassermoleküle über Wasserstoffbrückenbindungen lose und ungeordnet vernetzen. Doch tatsächlich schienen in den letzten Jahren neue Röntgenstudien eher das Mischungsmodell zu stützen.

Nun hat ein internationales Team um Prof. Alexander Föhlisch (HZB und Universität Potsdam) an der Synchrotronlichtquelle BESSY II sowie an der European Synchrotron Radiation Facility ESRF und der Swiss Light Source Wasserproben mit modernsten röntgenspektroskopischen Methoden untersucht.

Die Messdaten zeigen, dass bei Umgebungsbedingungen Wassermoleküle über Wasserstoffbrückenbindungen mit ihren nächsten Nachbarn nahezu tetahedral koordiniert sind. Pro Molekül gibt es jeweils 1,74 ± 2,1% Akzeptor- und Donator-H-Bindungen, also insgesamt fast vier Bindungen, was eine tetrahedrale Koordination ermöglicht.

Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler aus den Daten auch ermitteln, wie sich Wassermoleküle mit ihren übernächsten Nachbarn koordinieren. Die Röntgenspektren spiegeln auch die unterschiedliche Dynamik von verschiedenen Anregungsprozessen, so findet die kurzzeitige Bildung oder Lösung von Wasserstoffbrücken tausendmal schneller statt als eine Anregung der Wassermoleküle selbst. Die Ergebnisse zeigen, dass das Kontinuumsmodell Wasser bei Umgebungsbedingungen angemessen beschreibt.

Die Studie geht auf weitere offene Fragen im Phasendiagramm von Wasser ein, insbesondere zur möglichen Existenz eines zweiten kritischen Punktes im sogenannten „Niemandsland“ des unterkühlten Wassers.

Prof. Dr. Alexander Föhlisch
HZB
Institut Methoden und Instrumentierung der Forschung mit Synchrotronstrahlung
alexander.foehlisch@helmholtz-berlin.de

Die Studie wurde in den Proceedings der National Academy of Science, PNAS 2019, veröffentlicht: Compatibility of quantitative X-ray spectroscopy with continuous distribution models of water at ambient conditions. Johannes Niskanen, Mattis Fondell, Sebastian Eckert, Raphael M. Jay, Annette Pietzsch, Vinicius Vaz da Cruz, Alexander Föhlisch

DOI:10.1073/pnas.1815701116

Media Contact

Dr. Antonia Rötger Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH

Weitere Informationen:

http://www.helmholtz-berlin.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Wolken bedecken die Nachtseite des heißen Exoplaneten WASP-43b

Ein Forschungsteam, darunter Forschende des MPIA, hat mit Hilfe des Weltraumteleskops James Webb eine Temperaturkarte des heißen Gasriesen-Exoplaneten WASP-43b erstellt. Der nahe gelegene Mutterstern beleuchtet ständig eine Hälfte des Planeten…

Neuer Regulator des Essverhaltens identifiziert

Möglicher Ansatz zur Behandlung von Übergewicht… Die rapide ansteigende Zahl von Personen mit Übergewicht oder Adipositas stellt weltweit ein gravierendes medizinisches Problem dar. Neben dem sich verändernden Lebensstil der Menschen…

Maschinelles Lernen optimiert Experimente mit dem Hochleistungslaser

Ein Team von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL), des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT und der Extreme Light Infrastructure (ELI) hat gemeinsam ein Experiment zur Optimierung…

Partner & Förderer