Trojanisches Pferd für die Tuberkulosebehandlung

Lungentuberkulose ist eine tückische Krankheit: Das Mycobacterium tuberculosis infiziert meist unbemerkt seinen Wirt und verkapselt sich in tuberkulösen Granulomen. Um Antibiotika auf konventionellem Weg bis in diese Tuberkel zu bringen, wären so hohe Konzentrationen der Medikamente im Blut nötig, dass sie den Patienten zu stark belasten würden.

Gemeinsam entwickeln Wissenschaftler des TWINCORE und die Rodos BioTarget GmbH mit Fördermitteln des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand des BMWi nun eine neue Formulierung für zellspezifische Antibiotika-Therapien am Beispiel von Mycobacterium tuberculosis.

Für den Auslöser der Lungentuberkulose gilt das Gleiche wie auch für viele andere intrazelluläre Erreger: Einerseits reichen selbst umfangreiche Antibiotikabehandlungen oft nicht aus, um die Erreger zu eliminieren, da sich die Bakterien innerhalb der Zellen „verstecken“. Andererseits ruft eine nicht erfolgreiche Antibiotikabehandlung resistente Bakterien auf den Plan und vergrößert damit noch das Problem der Infektionsabwehr. „Mit den von uns entwickelten Wirkstofftransportern, den TargoSphere®-Nanocarriern wollen wir Antibiotika selektiv in die im Lungengewebe infizierten Alveolar-Makrophagen und dendritischen Zellen transportieren“, sagt Dr. Robert Gieseler-von der Crone, einer der Geschäftsführer der hannoverschen Rodos BioTarget. Denn innerhalb dieser Immunzellen verbergen sich die Tuberkulose-Erreger.

Die Nanocarrier haben einen Durchmesser von etwa 100 Nanometern und können mit wässrigen Lösungen gefüllt werden – in diesem Fall Antibiotika. Sie werden so mit Ankerstrukturen markiert, dass sie genau von den Immunzellen aufgenommen werden, die M. tuberculosis infiziert. Die Immunzellen nehmen die Nanocarrier in sich auf und dabei entleert sich ihr Inhalt in die infizierte Immunzelle. „Damit ist das Antibiotikum genau dort, wo es wirken sollte, nämlich innerhalb des Zelltyps, in dem sich M. tuberculosis verstecken kann“, sagt Prof. Dr, Ulrich Kalinke, Direktor des TWINCORE und Leiter des Instituts für Experimentelle Infektionsforschung.

Durch eine solche gerichtete intrazelluläre Therapie – nach dem Vorbild des Trojanischen Pferdes – können in der direkten Umgebung der Bakterien hohe Antibiotikakonzentrationen erreicht und damit die systemischen Nebenwirkungen beim Patienten verringert sowie gleichzeitig die Bildung von Resistenzen gegen das Antibiotikum reduziert werden. „Damit trifft in diesem Projekt Grundlagenforschung an Infektionsmodellen auf einen ganz konkreten Therapieansatz für den Klinischen Einsatz“, betont Ulrich Kalinke.

„Das Projekt wird für den Zeitraum eines Jahres gefördert“, sagt Dr. Marcus Furch, ebenfalls Geschäftsführer von Rodos BioTarget. „Am Ende dieser Entwicklungszeit wollen wir gemeinsam gezeigt haben, dass wir handelsübliche Antibiotika mit unseren Carriern gezielt in lebende, infizierte Zellen einschleusen und die Erreger in ihrem Versteck abtöten können.“ Gelingt dies, ist der Weg für die Entwicklung neuer Therapien gegen diverse intrazelluläre Erreger geebnet, die sich im Organismus verstecken und auf günstige Bedingungen zum Ausbruch einer Infektion warten. Dieser Ansatz könnte auch für virale Erreger, die besonders Makrophagen und dendritische Zellen befallen wie beispielsweise das B. Dengue Virus interessant sein.

Rodos BioTarget
Krebszellen sowie auch manche Infektionserreger unterlaufen wirksam die menschliche Immunabwehr: Beide torpedieren zielsicher jene Zellen, die unsere körpereigene Abwehr steuern und koordinieren. Die Konsequenz: Der Tumor oder der Krankheitskeim werden nicht wirksam attackiert, und auch die besten Medikamente bleiben wirkungslos. Hier lässt eine patentierte Technologieplattform der Rodos BioTarget GmbH (RBT) auf Abhilfe hoffen: Mit TargoSphere®-Nanocarriern können potente Wirk- und Impfstoffe exakt in die betroffenen Zellen gelenkt werden – mit dem Ziel, deren „Schlagkraft“ wiederherzustellen. Diese TargoSphere®-Plattformtechnologie verspricht einen klaren Nutzen für Partner in der Pharmaindustrie: Neue Wirkstoffe können nun für ungelöste Probleme in der Bekämpfung von Infektions- und Tumor-, aber auch Autoimmunerkrankungen entwickelt werden. TargoSpheres® erlauben zudem, bereits etablierte Wirkstoffe neu zu definieren und effektiver und/oder nebenwirkungsärmer einzusetzen. RBT konzentriert sich auf die Entwicklung antiviraler Applikationen unter der Bezeichnung TargoVir (u. a. gegen Hepatitis C und AIDS) und antibakterieller Anwendungen unter der Bezeichnung TargoBiotics (u. a. gegen pulmonale Infektionen).

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Dr. Jo Schilling idw

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