Süßes Leben – einfachste Zucker ohne Biosynthese

Die Reaktanden Hydroxymethylen und Formaldehyd (oben links), der einfachste Zucker, Glycolaldehyd (oben rechts) und der nächsthöhere Zucker (Glyceraldehyd), die in der Studie nachgewiesen wurden. Grafik: Dr. Raffael C. Wende

Zucker sind essenzielle Moleküle des Lebens: Sie speichern Energie und Informationen. Der Zucker Ribose zum Beispiel ist Teil des Rückgrats von Ribonukleinsäuren (RNA), mit deren Hilfe die genetische Information in Proteine „übersetzt“ wird. Aber woher kommen Zucker und wie entstehen sie, wenn keine Biosynthese möglich ist?

Mit dieser Frage hat sich ein Team um den Chemiker Prof. Dr. Peter R. Schreiner vom Institut für Organische Chemie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) beschäftigt – und dabei eine bislang unbekannte Möglichkeit der Zuckersynthese entdeckt. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Chemistry“ veröffentlicht.

Bislang ging man vielfach davon aus, dass sich einfache organische molekulare Bausteine wie Zucker, Aminosäuren oder Nukleobasen unter interstellaren Bedingungen bilden, von Meteoriten zur (Früh-) Erde transportiert werden können, und dort schließlich komplexere, größere Makromoleküle wie RNA aufbauen.

Dafür gibt es aber keine schlüssigen Beweise. Das Gießener Team konnte nun die selektive Bildung einfacher Zucker unter interstellaren Bedingungen mit Hydroxymethylen (H–C̈–OH) als reaktivem Isomer des Formaldehyds (H2C=O) zeigen.

Hydroxymethylen reagiert in der Gasphase tatsächlich mit Formaldehyd zu Glycolaldehyd – dem denkbar einfachsten Zucker – und weiter zur Triose Glyceraldehyd, der nächsthöheren Zuckerverbindung aus der Gruppe der sogenannten Aldosen.

Die Reaktion ist nahezu barrierelos und hochproduktiv, selbst bei extrem niedrigen Temperaturen von Bedingungen minus 261 Grad Celsius, wie sie in vielen Regionen des interstellaren Raums anzutreffen sind. Die Studie zeigt somit, dass sich Zucker auch ohne Biosynthese aus sehr einfachen Bausteinen bilden können.

Prof. Schreiner forscht im Bereich der metallfreien Katalyse, der Nanodiamanten und des quantenmechanischen Tunnelns zur Entwicklung und Verbesserung nachhaltiger chemischer Methoden. Er ist Mitglied der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, erhielt mehrere Wissenschaftspreise, darunter die Adolf-von-Baeyer Denkmünze der Gesellschaft Deutscher Chemiker 2017 und die Dirac-Medaille im Jahr 2003.

Der in Nürnberg geborene Wissenschaftler wurde nach dem Chemiestudium an der Universität Erlangen-Nürnberg und in den USA sowohl in organischer Chemie (Erlangen, Dr. rer. nat.) als auch in theoretischer Chemie promoviert (Computational Chemistry, USA, University of Georgia, Athens, Doctor of Philosophy).

Prof. Dr. Peter R. Schreiner
Institut für Organische Chemie
Heinrich-Buff-Ring 17, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-34300
E-Mail: prs@uni-giessen.de

Publikation
Sugar formation via hydroxymethylene (H–C̈–OH) as “active formaldehyde”. André K. Eckhardt, Michael M. Linden, Bastian Bernhardt und Peter R. Schreiner. Nature Chem. 2018, 10. DOI: 10.1038/s41557-018-0128-2

http://www.uni-giessen.de/schreiner

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Lisa Dittrich idw - Informationsdienst Wissenschaft

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