Stehen statt Liegen: Bochumer und Dortmunder Forscher messen Orientierung des Ras-Proteins

Bochumer Biophysiker haben in Kooperation mit dem MPI Dortmund erstmals die Orientierung des membrangebundenen Proteins Ras gemessen. Das RUB-Team kombinierte drei biophysikalische Methoden – Infrarotspektroskopie, Computersimulationen und Fluoreszenzmessungen – und kam zu dem überraschenden Ergebnis, dass sich zwei Ras-Moleküle miteinander verbinden, um eine aufrechte Position auf der Membran einzunehmen.

Bislang ging man aufgrund von Computersimulationen davon aus, dass das Protein einzeln auf der Membran liegt. Ras ist der zentrale Schalter für das Zellwachstum, und eine Fehlfunktion dieses Proteins ist ein wichtiger Faktor bei der Krebsentstehung. „Diese Ergebnisse werfen ein völlig neues Licht auf die Nanocluster-Bildung von Ras an der Membran“, sagt Prof. Dr. Klaus Gerwert von der RUB-Fakultät für Biologie und Biotechnologie. Die Studie wurde vom Biophysical Journal als Titelgeschichte ausgewählt.

Orientierung beeinflusst Proteininteraktion

Die Orientierung eines Proteins beeinflusst seine Interaktionsmöglichkeiten mit anderen Proteinen. „Das ist vergleichbar mit der Situation, dass ein Gast einmal mit ausgebreiteten Armen empfangen wird oder aber der Gastgeber bei der Begrüßung auf der Couch liegen bleibt“, veranschaulicht Dr. Jörn Güldenhaupt, der die Orientierungsmessungen durchgeführt hat. Nur wenige biophysikalische Methoden erlauben es, die Proteinorientierung zu bestimmen. Die am Lehrstuhl für Biophysik etablierte ATR-FTIR-Spektroskopie ist eine davon.

Ras-Moleküle stützen sich gegenseitig

Die falsche Annahme, dass Ras auf der Membran liegt, basierte auf früheren Computersimulationen. Till Rudack aus dem Bochumer Forscherteam nahm Ras ebenfalls virtuell unter die Lupe. Das Ergebnis: Ein einzelnes stehendes Ras-Molekül kippt sehr schnell um, scheint also auf der Membran zu liegen. „Irgendetwas muss das Ras in unseren Messungen gestützt haben“, erzählt Till Rudack. „Und das konnte nur ein weiteres Ras-Molekül sein, das aber in der Simulation nicht vorhanden war.“ Tatsächlich ergaben weitere Computersimulationen von zwei sich gegenseitig stützenden Ras-Molekülen eine stabile stehende Orientierung – passend zu den Experimenten.

Fluoreszenz-Resonanz-Energie-Transfer: Ein molekularer Zollstock

Das Forscherteam bestätigte die Ergebnisse mit einem weiteren experimentellen Beweis mittels „FRET“ (Fluoreszenz-Resonanz-Energie-Transfer). Das ist aktuell die beste Methode, um Interaktionen zwischen zwei Proteinen nachzuweisen. Hierbei markieren Forscher die Ras-Proteine mit zwei verschiedenen Farbstoffen. Interagieren die Proteine, sind sie sehr dicht beieinander, so dass Energie von einem Farbstoff zum anderen übertragen wird. Wie mit einem Zollstock lässt sich aus dem Anteil der übertragenen Energie der Abstand zwischen den Proteinen messen. Für die Ras-Ras-Interaktion ermittelten die Biophysiker einen Abstand von 4,6 Nanometern, also Millionstel Millimetern. Das entsprach genau dem Abstand, den sie für ein „Doppel-Ras“ mit ihren Computersimulationen vorhergesagt hatten.

In der Gruppe stärker

Frühere Studien hatten bereits ergeben, dass Ras-Moleküle sich oft in kleinen Gruppen sammeln. Diese sogenannten Nanocluster bestehen aus vier bis zehn Ras-Proteinen. Bislang ging man davon aus, dass andere Proteine die Clusterbildung vermitteln müssen. „Wir konnten erstmals zeigen, dass Ras selbst aktiv daran beteiligt ist“, so PD Dr. Carsten Kötting. Die Clusterbildung ist für Ras von großem Vorteil. In der Gruppe können die Proteine ein Signal deutlicher, also mit weniger Fehlern, weitergegeben. Das SOS-Protein zum Beispiel überträgt ein Signal immer gleichzeitig auf zwei Ras-Moleküle. Liegt Ras in Doppelform (als Dimer) vor, ist dieser Schritt viel leichter. Das Verständnis für die räumliche Organisation von Ras ermöglicht neue Ansätze für die Medikamentenentwicklung. „Bislang wurden keine Medikamente gefunden, die direkt an Ras angreifen“, so Klaus Gerwert. „Ras gilt als undruggable. Die hier gefundene Ras-Ras-Kontaktfläche könnte ein neuer Ansatzpunkt sein, um doch Ras-Medikamente zu entwickeln.“

Projektförderung

Fördermittel für das Projekt stammen vom Protein Research Department der RUB, vom Land NRW im Rahmen des Centers for Vibrational Microscopy (CVM) und vom SFB 642 „GTP- und ATP-abhängige Membranprozesse“, dessen Sprecher Prof. Gerwert ist.

Titelaufnahme

J. Güldenhaupt, T. Rudack, P. Bachler, D. Mann, G. Triola, H. Waldmann, C. Kötting, K. Gerwert (2012): N-Ras forms dimers at POPC membranes, Biophysical Journal, doi: 10.1016/j.bpj.2012.08.043

Weitere Informationen

Prof Dr. Klaus Gerwert, Lehrstuhl Biophysik, Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24461

klaus.gerwert@bph.ruhr-uni-bochum.de

Angeklickt

Coverbild des Biophysical Journal
http://download.cell.com/images/journalimages/0006-3495/S0006349512X00201_covhighres.jpg

Redaktion: Dr. Julia Weiler

Media Contact

Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Physiker Professor Simon Stellmer von der Universität Bonn beim Justieren eines Lasers, der für Präzisionsmessungen eingesetzt wird.

Simon Stellmers GyroRevolutionPlus erhält ERC-Zuschuss von 150 000 € für Katastrophenwarnungen

Europäischer Forschungsrat fördert Innovation aus der Physik an der Uni Bonn „Mit GyroRevolutionPlus verbessern wir die Messgenauigkeit von Ringlaserkreiseln, sogenannten Gyroskopen, mit denen wir langsame und tiefliegende Erdrotationen oder auch…

Unterschiedlich regulierte kleine RNAs aus Blut oder Haut sind mögliche Biomarker, die in Zukunft helfen könnten, Fibromyalgie schneller und besser zu diagnostizieren und damit unter anderem die Stigmatisierung abzubauen.

Objektive Diagnose von Fibromyalgie: Neue Innovationen Erklärt

Prof. Dr. Nurcan Üçeyler und Dr. Christoph Erbacher von der Neurologischen Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) haben ihre neuesten Forschungsergebnisse zum Fibromyalgie-Syndrom (FMS) in der Fachzeitschrift Pain veröffentlicht. Sie fanden…

Links: EHT-Bilder von M87* aus den Beobachtungskampagnen 2018 und 2017. Mitte: Beispielbilder aus einer generalrelativistischen magnetohydrodynamischen (GRMHD) Simulation zu zwei verschiedenen Zeiten. Rechts: Dieselben Simulations-Schnappschüsse, unscharf gemacht, um der Beobachtungsauflösung des EHT zu entsprechen.

Die neueste M87-Studie des EHT bestätigt die Drehrichtung des Schwarzen Lochs

Erster Schritt auf dem Weg zu einem Video vom Schwarzen Loch FRANKFURT. Sechs Jahre nach der historischen Veröffentlichung des ersten Bildes eines Schwarzen Lochs stellt die Event Horizon Telescope (EHT)…