Schädlingen in die Gene geschaut: Über 1000 Pflanzenwespen-Arten genetisch erfasst
Sie sind zwar nicht so bekannt wie ihre oft schwarz-gelb gefärbten Verwandten aus der Gruppe der ‚echten‘ Wespen, aber zumindest bei Land- und Forstwirten ebenso unbeliebt: Die Pflanzenwespen oder wissenschaftlich Symphyta. Deren gefräßige Larven ernähren sich bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich von Pflanzen und einige Arten können in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Zierpflanzenanbau großen Schaden anrichten. Anhand der nun entschlüsselten Gencodes, die in einer frei zugänglichen Internet-Bibliothek zur Verfügung stehen, können die Schädlinge in Zukunft rasch und sicher und vor allem bereits in einem frühen Entwicklungsstadium als Larven selbst durch Nicht-Spezialisten identifiziert werden. Die DNA-Datensammlung ist damit auch von großem wirtschaftlichem Nutzen bei der Schädlingsbekämpfung.
Die genetische Erfassung der Pflanzenwespen erfolgte im Rahmen eines Kooperationsprojektes der Zoologischen Staatssammlung München und des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg. Insgesamt lagern in diesen beiden Sammlungen weit über 100.000 präparierte Pflanzenwespen. Seit 2010 werteten die Symphyten-Forscher der beiden Institute 5360 Individuen aus, welche 1030 verschiedenen Arten zugeordnet werden konnten, darunter etwa 300 außereuropäische Formen. „Die Erfassung dieser großen Artenzahl war nur durch die umfangreichen Sammlungsbestände der beiden beteiligten Institutionen und die tatkräftige Unterstützung durch zahlreiche externe Fachkollegen möglich“, freut sich Stefan Schmidt, Sektionsleiter an der ZSM. Jetzt liegen Daten für etwa 600 deutsche Arten vor, das sind 75% der heimischen Pflanzenwespenfauna. „Das Projekt ist ein großer wissenschaftlicher Erfolg und ein Meilenstein auf dem Weg zu einer umfassenden Genbibliothek der Pflanzenwespen, der in Müncheberg weiter beschritten wird“, so Andreas Taeger vom SDEI.
Die Pflanzen- oder auch Sägewespen sind eine von Taxonomen bislang eher vernachlässigte Insektengruppe innerhalb der sogenannten Hautflügler. Grund hierfür ist die oft schwierige Bestimmung der Tiere anhand ihrer äußeren Merkmale, da sich viele Arten auch bei genauerem Hinsehen kaum voneinander unterscheiden oder die Merkmale innerhalb einer Art sehr variabel sind. Für solche Gruppen eignet sich die DNA-Barcoding-Methode zur Artbestimmung ganz besonders. Die genetischen Daten bilden zudem eine wichtige Grundlage für weiterführende Untersuchungen zur Klärung der Taxonomie und Systematik dieser Gruppe. Die Gensequenzierung erfolgte im Rahmen der Projekte “Barcoding Fauna Bavarica” und “German Barcode of Life”. In diesen Projekten erfassen die Münchener Forscher den Gencode aller bayerischen, beziehungsweise deutschen Tierarten in einer Online-Bibliothek und stellen ihn damit für Fachleute zur Verfügung.
Publikation: Schmidt, S., Taeger, A., Morinière, J., Liston, A., Blank, S. M., Kramp, K., Kraus, M., Schmidt, O., Heibo, E., Prous, M., Nyman, T., Malm, T. and Stahlhut, J. (2016), Identification of sawflies and horntails (Hymenoptera, ‘Symphyta’) through DNA barcodes: successes and caveats. Mol Ecol Resour. doi:10.1111/1755-0998.12614
Kontakt:
Dr. Stefan Schmidt
SNSB-Zoologische Staatssammlung München
Münchhausenstraße 21
81247 München
Tel.: 089 8107 159
E-Mail: hymenoptera@zsm.mwn.de
Dr. Andreas Taeger
Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut
Eberswalder Straße 90
15374 Müncheberg
Tel.: 033432 73698 3724
E-Mail: andreas.taeger@senckenberg.de
http://www.barcoding-zsm.de/
http://www.snsb.mwn.de/
http://www.zsm.mwn.de/
http://www.senckenberg.de/
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