Räuberische Organismen in der Tiefe

Transmissions-Elektronenmikroskopbild von Viren aus dem tiefen Meeresboden. Die Viren befestigen sich auf der Oberfläche von Mikroben und injizieren ihre DNA in die Zellen, die neue Viren bilden.<br>

In extrem tiefen, alten und nährstoffarmen Meeressedimenten leben bis zu 225 mal mehr Viren als Mikroben. Diese Viren übernehmen die Rolle der Räuber in diesem außergewöhnlichen Biotop.

Wissenschaftler der Universität Oldenburg und des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ weisen in der aktuellen Vorab-Onlineausgabe des Journal of the International Society for Microbial Ecology (ISME v. 20.01.2014) nach, dass in extrem tiefen, alten und nährstoffarmen Meeressedimenten bis zu 225 mal mehr Viren als Mikroben leben. Damit stellen in diesen extremen Lebensräumen nicht mehr die bakteriellen Mikroorganismen die größte Fraktion der lebenden Biomasse dar, sondern Viren. Diese Viren übernehmen die Rolle der Räuber in diesem außergewöhnlichen Biotop.

Die Forscher fanden heraus, wie sich mit zunehmender Nährstoffarmut das Verhältnis von Viren zu Mikroben immer stärker hin zu den Viren verschiebt. „Schon seit einigen Jahren ist bekannt, dass die Masse aller lebenden Mikroben im Meeresboden mindestens genauso groß ist wie die der Bewohner der darüber liegenden Weltmeere“, sagt dazu Jens Kallmeyer vom GFZ. „Eine bisher vernachlässigte Unbekannte sind allerdings die Viren.“

In diesen extremen Lebensräumen übernehmen Viren die Rolle von räuberischen Organismen: Sie steuern die Größe und Struktur der mikrobiellen Population. Die überraschend hohe Zahl der Viren wird damit erklärt, dass die zwar kleine aber aktive Mikrobenpopulation permanent neue Viren produziert, diese aber länger erhalten bleiben weil die wenigen Mikroben weniger Enzyme produzieren, welche die Viren zerstören.

Bisherige Messungen im Meerwasser und oberflächennahen Sedimenten konnten zwar zeigen, dass Viren etwa zehnmal häufiger sind als Mikroben, aber aufgrund ihrer wesentlich kleineren Masse keine große Rolle bei der Gesamtmenge der lebenden Biomasse spielen. Außerdem wurde angenommen, dass hauptsächlich räuberische Organismen wie z.B. andere Einzeller, oder auch Würmer oder Schnecken die Größe der Mikrobenpopulation steuern. Die jetzt vorgestellten neuen Ergebnisse zeigen, dass diese einfachen Annahmen so nicht haltbar sind.

Engelhardt, T., Kallmeyer, J., Cypionka, H., & Engelen, B. (2014): „High virus-to-cell ratios indicate ongoing production of viruses in deep subsurface sediments”, ISME Journal. doi: 10.1038/ismej.2013.245; 20.01.2014

Media Contact

Franz Ossing GFZ Potsdam

Weitere Informationen:

http://www.gfz-potsdam.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue Industrie-4.0-Lösung für niedrigschwelligen Zugang zu Datenräumen

»Energizing a Sustainable Industry« – das Motto der Hannover Messe 2024 zeigt klar, wie wichtig eine gleichermaßen leistungsstarke und nachhaltige Industrie für den Fertigungsstandort Deutschland ist. Auf der Weltleitmesse der…

Quantenpräzision: Eine neue Art von Widerstand

Physikforschende der Universität Würzburg haben eine Methode entwickelt, die die Leistung von Quantenwiderstands-Normalen verbessern kann. Sie basiert auf einem Quantenphänomen namens anomaler Quanten-Hall-Effekt. In der industriellen Produktion oder in der…

Sicherheitslücke in Browser-Schnittstelle erlaubt Rechnerzugriff über Grafikkarte

Forschende der TU Graz waren über die Browser-Schnittstelle WebGPU mit drei verschiedenen Seitenkanal-Angriffen auf Grafikkarten erfolgreich. Die Angriffe gingen schnell genug, um bei normalem Surfverhalten zu gelingen. Moderne Websites stellen…

Partner & Förderer