Raben verstehen die Beziehungen anderer Raben

Interaktion zweier Raben (Copyright: Georgine Szipl)

Wie viele sozial lebende Tiere zeigen Raben unterschiedliche soziale Beziehungen – sie können Freunde, Verwandte oder Paarpartner haben und sie bilden strikte Dominanzhierarchien. Ein Verständnis für die Beziehungen, die andere Gruppenmitglieder untereinander haben, ermöglicht eine noch wesentlich flexiblere Vorgehensweise, da nun strategische Einsichten möglich sind. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications publiziert.

Eine Gruppe um Thomas Bugnyar vom Department für Kognitionsbiologie an der Universität Wien testete das Verständnis für Beziehung anderer an zwei Gruppen von Raben. Mittels akustischer Playbacks wurde einzelnen Vögeln die Interaktion von zwei anderen Raben simuliert, wobei diese Interaktion entweder mit der existierenden Ranghierarchie übereinstimmte oder eine Rangverschiebung andeutete (ein niederrangiges Tier dominiert ein höherrangiges Tier). Im letzteren Fall reagierten die Raben mit verstärkten Erkundungs- und Stressverhalten wie Kopfdrehen und Schütteln, was darauf schließen lässt, dass ihre Erwartung, wie die Dominanzverhältnisse sein sollten, erschüttert worden ist. Ähnlich wie Primaten scheinen Raben daher die Rangbeziehungen zwischen Gruppenmitgliedern zu verstehen.

Interessanterweise fanden die Forscher heraus, dass Raben nicht nur auf die simulierten Rangverschiebungen in ihrer eigenen Gruppe, sondern auch auf jene der Nachbargruppe reagierten. Dies führt zum Schluss, dass Raben rein auf der Basis von Beobachtungen anderer auf deren Beziehungen schließen können. Zudem erbringen diese Ergebnisse den erstmaligen Nachweis, dass Tiere sich für Beziehungen anderer interessieren können, auch wenn diese Beziehungen sie nicht unmittelbar betreffen.

Der Erstautor der Arbeit, Jorg Massen, zieht einen Vergleich zur populären TV-Serie „Die Sopranos“: „Wenn Tony Blundetto sich über Tony Soprano lustig macht, registrieren wir als Zuschauer sofort, dass dies nicht gemäß der Rangverhältnisse in der Sopranofamilie ist. Wir ziehen diesen Schluss nicht durch Vergleiche von unserem eigenen Rang mit denen der beiden Tonys, sondern haben eine geistige Repräsentation der Rangverhältnisse der handelnden Personen“, so Jorg Massen weiter: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass auch Raben das können. Nachdem die Vögel in unserem Experiment nie mit der Nachbarsgruppe in physischem Kontakt waren, sondern dessen Mitglieder nur hören und sehen konnten, deuten die Ergebnisse daraufhin, dass Raben auch geistige Repräsentationen über andere bilden“, schließt Massen.

Publikation in „Nature Communications“:
Massen, J.J.M., Pašukonis, A., Schmidt, J. & Bugnyar, T. (2014). Ravens notice dominance reversals among conspecifics within and outside their social group. In: Nature Communications, 5: 3679. Published online April 22, 2014.
http://dx.doi.org/10.1038/ncomms4679

Wissenschaftlicher Kontakt
Jorg J.M. Massen, PhD
Department für Kognitionsbiologie
Universität Wien
1090 Wien, Althanstraße 14
T +43-699-1131 0182
jorg.massen@univie.ac.at

Rückfragehinweis
Mag. Alexandra Frey
Pressebüro der Universität Wien
Forschung und Lehre
1010 Wien, Universitätsring 1
T +43-1-4277-175 33
M +43-664-602 77-175 33
alexandra.frey@univie.ac.at

Die Universität Wien ist eine der ältesten und größten Universitäten Europas: An 15 Fakultäten und vier Zentren arbeiten rund 9.500 MitarbeiterInnen, davon 6.700 WissenschafterInnen. Die Universität Wien ist damit auch die größte Forschungsinstitution Österreichs sowie die größte Bildungsstätte: An der Universität Wien sind derzeit rund 92.000 nationale und internationale Studierende inskribiert. Mit über 180 Studien verfügt sie über das vielfältigste Studienangebot des Landes. Die Universität Wien ist auch eine bedeutende Einrichtung für Weiterbildung in Österreich. 1365 gegründet, feiert die Alma Mater Rudolphina Vindobonensis im Jahr 2015 ihr 650-jähriges Gründungsjubiläum. www.univie.ac.at

Media Contact

Veronika Schallhart Universität Wien

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

FDmiX: Schnelle und robuste Serienproduktion von Nanopartikeln

Verkapselungstechnologie der nächsten Generation… Nukleinsäure-basierte Medikamente wie mRNA-Impfstoffe bieten ein enormes Potenzial für die Medizin und eröffnen neue Therapieansätze. Damit diese Wirkstoffe gezielt in die Körperzellen transportiert werden können, müssen…

Sensor misst Sauerstoffgehalt in der Atemluft

Eine zu geringe oder zu hohe Sauerstoffsättigung im Blut kann bleibende körperliche Schäden bewirken und sogar zum Tod führen. In der Intensiv- und Unfallmedizin wird die Sauerstoffkonzentration der Patientinnen und…

Neue MRT-Technik erkennt Schlaganfälle in kürzester Zeit

Tag gegen den Schlaganfall: Forschende der Universitätsmedizin Mainz haben im Rahmen einer Studie erstmals eine KI-gestützte Magnetresonanz-Tomographie (MRT)-Methode untersucht, um akute ischämische Schlaganfälle effizienter detektieren zu können. Dabei setzten sie…

Partner & Förderer