Multiple Sklerose: Zusammenhang zwischen genetischem Risikofaktor und Entzündungsprozessen entdeckt

Für Multiple Sklerose sind verschiedene genetische Risikofaktoren bekannt. Wie eine bestimmte Abweichung im Erbgut des sogenannten TNF-Rezeptors 1 die Krankheit fördert, beschreibt eine internationale Forschergruppe mit RUB-Beteiligung in Nature.

Das Team unter Federführung von Prof. Lars Fugger aus Oxford deckte einen Zusammenhang zwischen einer Genvariante und chronischen Entzündungsprozessen auf. Die Daten von 7000 Menschen, unter anderem aus der Genbank der Neurologischen Uniklinik am St. Josef-Hospital Bochum, gingen in die Analyse ein. „Die Ergebnisse zeigen, dass genomweite Assoziationsstudien für die klinische Praxis und Routine bedeutend sind. Sie helfen uns auch, die verschiedenen Entstehungsfaktoren der Multiplen Sklerose besser zu verstehen“, sagt Klinikdirektor Prof. Ralf Gold.

Wie der TNF-Rezeptor an Entzündungsprozessen beteiligt ist

Nach europa- und weltweiten Untersuchungen in großen Patientengruppen beschrieben Forscher verschiedene genetische Risikofaktoren für Multiple Sklerose. Darunter waren zum Beispiel der sogenannte Tumornekrosefaktor-Rezeptor 1 (TNF-Rezeptor 1) und die Histokompatibilitätsantigene – Marker, die dem Immunsystem erlauben, zwischen eigenen und fremden Zellen zu unterscheiden. Die aktuelle Studie deckte funktionelle Hintergründe auf. Der kritische Genabschnitt des TNF-Rezeptors unterscheidet sich von einer harmlosen Sequenz in nur einem DNA-Baustein. Dieser Austausch bewirkt, dass der TNF-Rezeptor bei den Betroffenen löslich ist. Üblicherweise ist das Protein an die Membran gebunden. Der lösliche Rezeptor zirkuliert durch den Zellzwischenraum und fängt dabei das Molekül TNF alpha ein, das unter anderem Entzündungen im Gehirn eindämmt. So können Entzündungsprozesse durch die genetische Abweichung chronisch werden.

Nur schädlich bei Multipler Sklerose

„Interessanterweise ist das genetische Muster des TNF-Rezeptors 1 nur mit Multipler Sklerose assoziiert, aber nicht mit anderen Autoimmunkrankheiten wie rheumatoider Arthritis oder Morbus Crohn“, sagt Prof. Gold. Diese Resultate passen zum Klinikalltag. Medikamente, die TNF alpha blockieren, verstärken die Symptome von Patienten mit Multipler Sklerose (MS) – nicht jedoch von Patienten mit anderen Autoimmunkrankheiten. Bei MS-Patienten erzeugt der Körper die Wirkung des Medikaments quasi von allein in einem Ausmaß, das schädlich ist.

Risikofaktoren für Multiple Sklerose

Neben genetischen Risikomustern diskutieren Experten eine Reihe weiterer Auslöser für Multiple Sklerose. Dazu zählen virale Infektionen in der frühen Jugend. Auch wenn Menschen in Regionen mit geringerer Sonneneinstrahlung auswandern, könnte das die Krankheit fördern, weil die Haut dann weniger Vitamin D produziert.

Titelaufnahme

A.P. Gregory et al. (2012): TNF receptor 1 genetic risk mirrors outcome of anti-TNF therapy in multiple sclerosis, Nature, doi: 10.1038/nature11307

Weitere Informationen

Prof. Dr. Ralf Gold, Direktor der Klinik für Neurologie, St. Josef-Hospital, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität, Gudrunstr. 56, 4791 Bochum, Tel. 0234/509-2411 oder -2409

ralf.gold@rub.de

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Redaktion: Dr. Julia Weiler

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