Mikropropeller und Mikropinzetten aus weichen Gelen

Doktorand Hang Zhang steht vor dem Mikroskop, mit dem er winzige Gel-Strukturen untersucht, die sich wie kleine Roboter selbstständig im Wasser bewegen können. Bildquelle: Philipp Scheffler, DWI

Mikroorganismen und natürliche Zellen haben ganz unterschiedliche Mechanismen der Bewegung und Fortbewegung entwickelt, die eine Grundlage für viele Vorgänge in unserem Körper und in der Umwelt bilden.

Ausgehend von den Eigenschaften natürlicher ‚Schwimmer‘ lässt sich ein breites Spektrum an Anwendungen für künstliche Mikroschwimmer erahnen. Es reicht von medizinischen Anwendungen über die Materialwissenschaften bis hin zu den Umweltwissenschaften. Die Entwicklung künstlicher Mikroschwimmer gewinnt daher als Forschungsfeld zunehmend an Bedeutung.

Die Aufgabe, welcher sich die Aachener Wissenschaftler sich in diesem Zusammenhang annahmen, war alles andere als trivial: „Wir wollten ein Bewegungsprinzip entwickeln, das sich auch bei beliebig kleinen Objekten umsetzen lässt“, so Dr. Ahmed Mourran, Projektleiter am DWI.

Doktorand Hang Zhang ergänzt: „Außerdem sollte die Bewegung nicht an externe Gradienten, beispielsweise Temperaturunterschiede oder Konzentrationsunterschiede in der Umgebung gebunden sein. Das ist bei vielen bisher entwickelten Mikroschwimmern der Fall und schränkt ihre Bewegungsmöglichkeiten ein.“

Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes gelang es den Forschern, diese Herausforderung zu meistern. Die Materialexperten entwickelten Gel-Objekte, die einfache Bewegungen in Wasser ausführen können.

Beispiele sind ein Mikropropeller, der sich im Wasser schnell um die eigene Achse dreht, und ein L-förmiges Gel mit langen Armen, die wie eine Pinzette zusammenschnappen und öffnen können. Besonders faszinierend wirkt eine rotierende Helix, die an einer Wand entlang ‚laufen‘ kann.

Die Forscher setzten für die Entwicklung ihrer Mikroschwimmer schwammartige, elastische Gelkörper ein, die zu 80 bis 98 Prozent aus Wasser bestehen. Ein solcher Gelpartikel kann durch Aufnahme oder Abgabe von Wasser seine Form erheblich verändern. Diese Formveränderungen können die Wissenschaftler über die Dauer von Infrarotlicht-Pulsen steuern.

Das Licht wird von winzigen Gold-Stäbchen (Gold-Nanostäbchen), die in die Gele eingebaut sind, in Wärme umgewandelt und an das umliegende Gel abgegeben. Die so bewirkte schlagartige Erwärmung des Gels führt zu einer Schnappbewegung. Doch genau so schnell, wie sich die Gele erwärmen, kühlen sie auch wieder ab.

Die Schnappbewegung ist durch die Ausgangsform des Gels und die durch das Licht erzeugten Temperatursprünge vorgegeben, auf die eine etwas langsamere Formveränderung des Gels folgt. Mit Hilfe von stroboskopischen Infrarotlicht-Pulsen können die Wissenschaftler schnelle, wiederkehrende Bewegungssequenzen erzeugen.

Diese per Infrarotlicht bewegten Gele reagieren empfindlich auf Fremdstoffe und könnten zukünftig als Sensoren oder Pumpen sowie für die Trennung oder den Transport von Flüssigkeiten in feinsten Kapillaren genutzt werden. Da Infrarotlicht tief in körpereigenes Gewebe eindringt, könnten die Gele darüber hinaus eine Grundlage für neue medizintechnische Anwendungen bilden.

Im Rahmen seines ‚ERC Advanced Grant‘ des Europäischen Forschungsrats möchte Martin Möller diese Mikroschwimmer nun so weiterentwickeln, dass sie auch bei konstanter Bestrahlung mit Infrarotlicht einzelne, sich wiederholende Bewegungen ausführen können, die insgesamt einen Bewegungsfluss ergeben.

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Dr. Janine Hillmer idw - Informationsdienst Wissenschaft

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