Magnetische Pulse stören Magnetsinn von Rotkehlchen

Anhand der Flügelgröße bestimmten die Wissenschaftler das Alter der Vögel.<br>MPI für Ornithologie, Radolfzell<br>

Zugvögel nutzen bei ihrer Migration sowohl eine genetisch angeborene Vorzugsrichtung, als auch einen Magnetsinn, mit dem sie sich an den Feldlinien der Erde orientieren. Bisher ungeklärt ist, ob die Vögel auch eine auf Erfahrung basierende „Landkarte“ verwenden, um an ihre Zielorte zu gelangen.

Wissenschaftler am Max-Planck Institut für Ornithologie in Radolfzell setzten Rotkehlchen (Erithacus rubecula) während ihrer Reise einem starken, magnetischen Puls aus und störten so kurzfristig deren Magnetsinn. Als Folge konnten sich die zugerfahrenen Tiere schlechter orientieren.

Die Peilung von jüngeren Vögeln hingegen, die zum ersten Mal zum jährlichen Vogelzug aufbrechen wollten, verschlechterte sich aufgrund der Puls-Behandlung nicht. Offenbar haben die Jungtiere aufgrund fehlender Erfahrung noch keine magnetische Karte aufgebaut. Das magnetische Kartensystem ist demnach erfahrungsabhängig und wird von solchen Pulsen gestört.

Tausende von Vögeln ziehen in Frühling und Herbst in ihre jeweiligen Sommer- und Winterquartiere. Die grundsätzliche Wanderrichtung wird dabei durch genetisch angeborene Faktoren bestimmt. Doch darüber hinaus besitzen Vögel noch einen zusätzlichen magnetischen Orientierungssinn, welcher sich am Magnetfeld der Erde ausrichtet. Die Stärke dieses Feldes variiert zwischen den Polen zum Äquator hin und gibt so Auskunft über den aktuellen Aufenthaltsort. Forscher vermuten, dass die Vögel mithilfe dieses Sinnes dann auf ihren Wanderungen „Karten“ ausbilden, an denen sie sich in den folgenden Jahren orientieren.

Die Wissenschaftler am Max-Planck Institut für Ornithologie haben nun untersucht, welchen Effekt ein magnetischer Puls auf die Orientierungsfähigkeit wilder Rotkehlchen hat. Sie haben die Tiere an einem Rastplatz während des Vogelzuges mit kleinen Radiotransmittern versehen. So konnten sie feststellen, in welche Richtung sie ihre Reise nach der Puls-Behandlung fortsetzen. Die Forscher unterschieden dabei zwischen älteren Vögeln, die schon einmal migriert waren und jüngeren, denen die erste Wanderung gerade bevorstand.

Wie sie herausfanden, zogen die erwachsenen Vögel nach der Behandlung sehr viel öfter in die falsche Richtung los, als die Tiere der Kontrollgruppe, die einem nicht-magnetischen Puls ausgesetzt waren. Am stärksten trat dieser Effekt bei Vögeln auf, die innerhalb von zehn Tagen nach der Behandlung losflogen. „Der Puls hat wohl die magnetischen Karten der Rotkehlchen zurückgesetzt“, mutmaßt Richard Holland vom Max-Planck-Institut in Radolfzell. „Sie mussten sich deshalb auf andere Umweltinformationen verlassen und verflogen sich dann.“

Dies würde auch erklären, wieso bei gleicher Behandlung der Jungtiere keine Verschlechterung der Peilung auftrat. „Die jungen Vögel waren noch nie migriert und hatten deshalb auch noch keine magnetische Karte aufgebaut, die wir zurücksetzen konnten“, erklärt Holland. Der Magnetsinn der Rotkehlchen wird demnach maßgeblich durch die Erfahrungen beim Vogelzug beeinflusst.

Die Mechanismen des Vogelzuges werden Richard Holland und sein Team wohl auch weiterhin beschäftigen: „Wir wissen immer noch nicht mit Sicherheit wo das Sinnesorgan, mit dem die Vögel die Magnetfelder der Erde wahrnehmen, überhaupt sitzt“, erklärt er. Eine Vermutung hierfür sind ferromagnetische Partikel im Schnabel, doch auch Systeme im Auge oder im Gleichgewichtsorgan der Vogelohren kommen dafür in Frage.

Kontakt:
Dr. Barbara Helm
Max-Planck-Institut für Ornithologie, Teilinstitut Radolfzell
Telefon: +49 7531 88-4915
E-Mail: barbara.helm@­uni-konstanz.de
Originalpublikation:
R. A. Holland, B. Helm
A strong magnetic pulse affects the precision of departure direction of naturally migrating adult but not juvenile birds

Journal of the Royal Society Interface 6. Februar 2013 doi: 10.1098/rsif.2012.1047

Media Contact

Dr. Barbara Helm Max-Planck-Institut

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer