Gezielte Freisetzung von Antibiotika mit Nanoreaktoren

Der Nanoreaktor als Katalysator: Die nicht aktiven Vorstufen (gelb, grün) reagieren mithilfe des eingekapselten Enzyms zu einer antibiotisch wirksamen Verbindung (rot), die aus dem Nanoreaktor austritt.<br><br>Illustration: Chemical Communications<br>

Wenn es gelingt, solche Nanoreaktoren in medizinische Implantate einzubauen, liessen sich gezielt bakterielle Infektionen bekämpfen, ohne dass der Wirkstoff über den ganzen Körper verteilt wird. Dies berichten die Forschenden im Fachjournal «Chemical Communications».

Polymersomen sind kugelförmige Strukturen mit einer Grösse im Nanobereich. Sie bestehen aus einer künstlichen Membran, die einen Hohlraum umschliesst. Um diese Hülle für kleine Moleküle durchlässig zu machen, hat die Gruppe um den Basler Chemiker Prof. Wolfgang Meier Proteine eingebaut und die Membran so mit winzigen Kanälen ausgestattet. Damit konnten die Forschenden einen Nanoreaktor herstellen, in dessen Innern sich ein Enzym einschliessen lässt. Dort ist das Enzym vor Abbau geschützt und ist über die Poren in der Hülle für Substrate zugänglich.

In der vorliegenden Arbeit kapselten die Forscher das Enzym Penicillinacylase in die Polymerkugel ein. Penicillinacylase beschleunigt die Synthese zweier inaktiver Stoffe zu Cephalexin, einem Antibiotikum, mit dem bakteriellen Infektionen oft behandelt werden. In Versuchen konnten die Chemiker zeigen, dass die Ausgangsstoffe durch die Membran eindringen, mithilfe des Enzyms miteinander reagieren und die produzierten Antibiotika durch die poröse Hülle des Nanoreaktor wieder austreten. Das Resultat: Das Wachstum eines Testbakteriums wurde in Gegenwart des Nanoreaktors erfolgreich unterdrückt.

Antibiotikafreisetzung an Ort und Stelle
Nach dem Einsetzen von Implantaten – zum Beispiel Zahnimplantaten oder künstlichen Gelenken – führen bakterielle Infektionen nicht selten zu Komplikationen, die sich nur schwer behandeln lassen. Meist werden diese Infektionen durch oral verabreichte Antibiotika behandelt. Das hat den Nachteil, dass der Wirkstoff über den ganzen Körper verteilt wird und an anderer Stelle womöglich eine unbeabsichtigte Wirkung entfaltet. Bei vermehrter Anwendung von Antibiotika steigt zudem die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzbildung. In der modernen Materialforschung werden deshalb Ansätze verfolgt, um antibiotische Komponenten direkt in Materialien oder Beschichtungen einzubauen.

Nanoreaktoren in der Implantationsmedizin
Polymere Nanoreaktoren bilden einen vielversprechenden Ansatz, um die Dosis von Medikamenten zu reduzieren, ohne dass sich die Effizienz der Wirkstoffe verschlechtert. Gelänge es, Implantate mit Nanoreaktoren zu beschichten, wäre das ein eleganter Weg, um Antibiotika örtlich begrenzt einzusetzen. Zwar blieben die oral verabreichten inaktiven Vorstufen weiterhin im gesamten Körper verteilt, doch würden sie erst durch die Nanoreaktoren an der gewünschten Stelle zum aktiven Wirkstoff umgesetzt.
Originalbeitrag
Karolina Langowska, Cornelia G. Palivan, Wolfgang Meier
Polymer nanoreactors shown to produce and release antibiotics locally
Chem. Commun. (2012), published online 5 October 2012 | DOI: 10.1039/C2CC36345C

Weitere Auskünfte
• Prof. Dr. Wolfgang Meier, Universität Basel, Departement Chemie,
Tel. +41 61 267 38 02, E-Mail: wolfgang.meier@unibas.ch
• Dr. Cornelia Palivan, Universität Basel, Departement Chemie,
Tel. +41 61 267 38 39, E-Mail: Cornelia.Palivan@unibas.ch

Media Contact

Christoph Dieffenbacher Universität Basel

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer