Forscher entdecken neues Gen für Haarverlust

Aufbau des Haarfollikels. (c) Uni Bonn

In der Kindheit sprießen die feinen Haare meist spärlich. Mit zunehmendem Alter schreitet der Haarverlust fort. Schließlich sind am Kopf und am Körper nur noch wenige Haare vorhanden. Bei Hypotrichosis simplex handelt es sich um eine seltene Form von Haarausfall (Alopezie).

Die Beschreibung beschränkt sich weltweit auf wenige hunderte Familien. Bislang sind nur wenige Gene bekannt, die mit der Erkrankung ursächlich in Zusammenhang stehen.

Unter Federführung des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn hat nun ein Team von Forschern aus Deutschland und der Schweiz Mutationen in einem weiteren Gen entschlüsselt, die für den Haarverlust verantwortlich sind.

Die Wissenschaftler untersuchten die kodierenden Gene von drei Familien, die nicht miteinander verwandt sind und unterschiedlicher Abstammung sind. Bei insgesamt acht Angehörigen zeigten sich die typischen Symptome des Haarverlusts. Sämtliche Betroffene verfügten über Erbgutveränderungen (Mutationen) im Gen LSS.

„Dieses Gen kodiert die Lanosterol-Synthase – kurz LSS“, sagt Prof. Dr. Regina C. Betz vom Institut für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn. „Das Enzym spielt im Cholesterin-Stoffwechsel eine Schlüsselrolle.“ Allerdings sind die Cholesterin-Blutwerte der Betroffenen nicht verändert. Betz: „Es gibt einen alternativen Stoffwechselweg für das Cholesterin, das für den Haarfollikel eine wichtige Rolle spielt und nicht mit den Cholesterin-Werten im Blut in Zusammenhang steht.“

Mutation führt zu einer Verlagerung der Lanosterol-Synthase

Mit Gewebeproben versuchten die Wissenschaftler herauszufinden, wo genau die Lanosterol-Synthase in den Haarfollikelzellen zu finden ist. Im Follikel werden die Haarwurzeln gebildet. Ist das LSS-Gen nicht mutiert, dann befindet sich das dazugehörige Enzym in einem System aus feinsten Kanälen in den Follikelzellen, dem Endoplasmatischen Retikulum.

Liegt eine Mutation vor, dann verbreitet sich die Lanosterol-Synthase auch außerhalb dieser Kanäle in die angrenzende Substanz, das Zytosol. „Warum die Haare ausfallen, können wir noch nicht sagen“, sagt Erstautorin Maria-Teresa Romano, Doktorandin im Team von Prof. Betz. „Wahrscheinlich führt die Verlagerung von LSS aus dem Endoplasmatischen Retikulum zu einer Fehlfunktion.“

Prof. Dr. Matthias Geyer vom Institut für Strukturbiologie der Universität Bonn untersuchte, welche Folgen die Mutationen für die Struktur des Enzyms Lanosterol-Synthase haben. Mit ihm und Prof. Betz kommen gleich zwei Studienleiter aus dem Exzellenzcluster ImmunoSensation der Universität Bonn, das bei der neuesten Runde des Exzellenzwettbewerbs eindrucksvoll bestätigt wurde und eine Weiterförderung erhält.

Bessere Diagnose

Für die Wissenschaftler ist das aktuelle Studienergebnis ein wichtiger Befund: Mit jedem weiteren entschlüsselten Gen vervollständigt sich wie bei einem Puzzle das Bild von den biologischen Grundlagen der Erkrankung. „Ein besseres Verständnis der Krankheitsursachen ermöglicht in Zukunft vielleicht neue Ansätze für die Therapie des Haarverlustes“, sagt die Humangenetikerin. Doch bis dahin sei es noch ein weiter Weg. Aber bereits jetzt trägt die Entdeckung des Gens zu einer besseren Diagnose der seltenen Erkrankung bei. Betz: „Wer von Hypotrichosis simplex betroffen ist, hat ausschließlich mit Haarverlust zu tun. Das ist belastend, aber weitere Organe sind nicht betroffen.“

Univ.-Prof. Dr. med. Regina C. Betz
Institut für Humangenetik
Universitätsklinikum Bonn
Tel. 0228/28751023
E-Mail: regina.betz@uni-bonn.de

Maria-Teresa Romano, Aylar Tafazzoli, Maximilian Mattern, Sugirthan Sivalingam, Sabrina Wolf, Alexander Rupp, Holger Thiele, Janine Altmüller, Peter Nürnberg, Jürgen Ellwanger, Reto Gambon, Alessandra Baumer, Nicolai Kohlschmidt, Dieter Metze, Stefan Holdenrieder, Ralf Paus, Dieter Lütjohann, Jorge Frank, Matthias Geyer, Marta Bertolini, Pavlos Kokordelis, Regina C. Betz: Bi-allelic mutations in LSS, encoding lanosterol synthase, cause autosomal recessive hypotrichosis simplex, The American Journal of Human Genetics, DOI: https://doi.org/10.1016/j.ajhg.2018.09.011

Media Contact

Johannes Seiler idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer