Charité-Wissenschaftler entschlüsseln Ursache für Fehlbildung

Der Grund für diese Krankheit liegt in einem Defekt in jenem Bereich des menschlichen Erbguts, der von Forschen salopp als „Genwüste“ bezeichnet wird. Seine Funktion ist bislang weitgehend unbekannt, denn dieser Teil des Erbguts besitzt keine Protein-kodierenden Eigenschaften, das heißt, keine Baupläne für Eiweiße.

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe von Dr. Eva Klopocki und Prof. Stefan Mundlos, Direktor am Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité, sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „American Journal of Human Genetics“* veröffentlicht. Sie zeigen nun wichtige Funktionen, die dieser Teil des menschlichen Genoms erfüllt.

Gegenstand der Forschung war ein seltenes, vererbbares Krankheitsbild, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent von erkrankten Eltern an ihre Kinder weitergegeben wird. Bei dieser Krankheit, der sogenannten „Kraniosynostose vom Typ Philadelphia“, ist neben dem vorzeitigen Verschluss der Schädelnähte auch ein Zusammenwachsen einzelner Finger zu beobachten.

Mittels einer speziellen Methode konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass für die Ausbildung dieses Defektes nicht ein spezifisches Gen verantwortlich ist, sondern ein verändertes „Enhancer“-Element, ein Regulator, der im nicht Protein-kodierenden Teil des Genoms liegt und das betreffende Gen während der Entwicklung des Embryos fehlerhaft steuert. Diese so genannte „Gen-Chip Diagnostik“, ermöglicht es, schon sehr kleine Chromosomenveränderungen zu entdecken, die in der konventionellen Chromosomenanalyse nicht sichtbar sind.

„Wir wissen jetzt, wo Therapien für diese Erbkrankheit ansetzen müssen“, erläutert Prof. Mundlos. „Das wirklich Faszinierende ist jedoch der Einblick, den wir in das komplexe Zusammenspiel von Protein-kodierendem und nicht-kodierendem Teil des Erbguts gewinnen konnten. Die angebliche `Genwüste´ enthält Regulatoren, die während der Embryonalentwicklung zum exakt richtigen Zeitpunkt Gene und Proteine an- und abschalten müssen, damit so komplexe Strukturen wie Hände oder Schädel entstehen. Hier liegt eine Fundgrube für künftige Forschungen.“

*Klopocki E. et al. Copy-Number Variations Involving the IHH Locus Are Associated with Syndactyly and Craniosynostosis. American Journal of Human Genetics. 2011 Jan 7;88(1):70-5. doi:10.1016/j.ajhg.2010.11.006

Kontakt
Prof. Stefan Mundlos
Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik
Campus Virchow-Klinikum
t: +49 30 450 569 121
stefan.mundlos@charite.de

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Stefanie Winde idw

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