Biologen der Uni Stuttgart identifizieren drei neue Bärtierchenarten – Vom Norden Alaskas bis zum Pazifik

Von den 0,2 bis 1,0 Millimeter großen Organismen, die vor allem im Süßwasser und in Lebensräumen wie Moospolstern und feuchten Böden vorkommen, waren bisher rund 1.000 Arten bekannt. Dr. Ralph Schill vom Biologischen Institut der Universität Stuttgart und Kollegen von der Uni Würzburg entdeckten dank einer neuen Methode nun drei weitere Arten und publizierten ihre Arbeit im Journal „Organisms, Diversity & Evolution“.*)

Die drei „neuen“ Bärtierchen stammen von der tropischen Inselgruppe Palau im Indopazifik, aus dem kalten Norden Alaskas, sowie aus Kenia und heißen dementsprechend Paramacriobiotus palaui, Paramacriobiotus fairbanksi und Paramacriobiotus kenianus. Sie wurden schon seit einiger Zeit als kryptische Arten angesehen, die sich jedoch so ähnlich sahen, dass es nicht möglich war, sie auseinander zu halten. Daher wendeten die Forscher – erstmals bei den Bärtierchen – die so genannte CBC-Methode (Compensatory Base Change) an. Mit molekurlarbiologischen und bioinformatischen Techniken wird dabei ein Teil der ribosomalen Gene (rDNA) vervielfältigt, sequenziert, in ihre natürliche Struktur gefaltet und dann auf Basenaustausche hin untersucht.

Mit einer 93-prozentigen Wahrscheinlichkeit lassen sich so neue Arten anhand ihres Erbgutes identifizieren, die mit herkömmlichen Sequenzen nicht ausreichend unterscheidbar sind. Zusammen mit weiteren molekularbiologischen, biochemischen und physikalischen Markern haben die Stuttgarter Forscher Gewissheit bekommen, dass sie es wirklich mit drei verschiedenen Arten zu tun haben.

Bärtierchen, die das Austrocknen und Gefrieren perfekt beherrschen, stellen ein ideales Modellsystem dar, um diese Überlebensmechanismen zu untersuchen. „Ein besseres Verständnis dieser Prozesse wird zu der Entwicklung neuer Methoden führen, die es ermöglichen, Zellen und ganze Organismen ohne Schäden zu konservieren. Dies wäre ein großer Vorteil für viele Gebiete im biomedizinischen Bereich und im Lebensmittelbereich“, betont Schill.

Tardigraden wurden das erste Mal von dem Pastor Johann August Ephraim Goeze als „kleine Wasserbären“ literarisch erwähnt. Er schrieb „…Seltsam ist dieses Thierchen, weil der ganze Bau seines Körpers ausserordentlich und seltsam ist, und weil es in seiner äusserlichen Gestalte, dem ersten Anblicke nach, die größte Ähnlichkeit mit einem Bäre im Kleinen hat. Dies hat mich auch bewogen, ihm den Namen des kleinen Wasserbärs zu geben“.

*) Ralph O. Schill & Frank Förster & Thomas Dandekar & Matthias Wolf (2010). Using compensatory base change analysis of internal transcribed spacer 2 secondary structures to identify three new species in Paramacrobiotus (Tardigrada). Organisms, Diversity & Evolution. DOI 10.1007/s13127-010-0025-z

http://www.springerlink.com/content/121594/?Content+Status=Accepted

Kontakt und weitere Informationen bei Dr. Ralph Schill, Biologisches Institut der Universität Stuttgart, Tel. 0172/7304726 , e-mail: ralph.schill@bio.uni-stuttgart.de

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