Berührung aktiviert Schädlingsabwehr

Bei Gefahr können sich Pflanzen weder verstecken, noch wegrennen. Durch die Wurzeln sind sie standortgebunden. Sie mussten daher andere Wege der Anpassung an die Umweltgegebenheiten entwickeln.

Es ist bereits länger bekannt, dass Pflanzen, die regelmäßig berührt werden ein geringeres Wachstum aufweisen. Dies wird Thigmomorphogenese genannt. US-Forscher fanden nun eine Verbindung zwischen Berührungen und der pflanzlichen Schädlingsabwehr: Durch wiederholte Berührung wird die Insektenresistenz erhöht.

Verantwortlich für beide Mechanismen ist das Phytohormon Jasmonsäure. Durch Experimente konnte bewiesen werden, dass Jasmonsäure für die Thigmomorphogenese der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) erforderlich ist und den Mechanismus sogar fördert. Pflanzen, die durch Berührungen stimuliert wurden, enthielten das 2,5 fache an Jasmonsäure, verglichen mit unberührten Pflanzen.

Dazu untersuchten die Wissenschaftler eine Mutante der Ackerschmalwand, welche nicht in der Lage war Jasmonsäure zu synthetisieren. Diese Mutation wurde zweimal täglich über vier Wochen berührt. Sie zeigte keine erkennbaren Reaktionen auf die Berührung, wohingegen die Kontrollgruppe deutliche Veränderungen im Phänotyp aufwies. Der Blütenstand war wesentlich kürzer, der Umfang der Blüte (samt Blättern) verkleinerte sich um 28% und die Pflanze blühte mit einer ein- bis zweitägigen Verzögerung. Jasmonsäure ist demnach für die phänotypischen Veränderungen notwendig.

Berührte werden toleranter
Im zweiten Schritt wurden die Pflanzen zwei Arten von Schädlingen ausgesetzt: Grauschimmelfäule, einem nekrothrophen Pilz und Kohlspannerraupen (Trichoplusia ni). Die befallenen Stellen auf den Blättern waren in beiden Fällen bei den Pflanzen größer, die nicht dem mechanischen Reiz ausgesetzt waren. Ebenfalls größer waren sie an den mutierten Pflanzen. Hingegen zeigten die Blätter der Pflanzen, die Jasmonsäure bilden konnten und berührt wurden, bei Grauschimmelbefall knapp ein Drittel kleinere Infektionsstellen. Bei einer Schädigung durch Kohlspannerraupen waren die Stellen – bei der gleichen Versuchsanordnung – ebenfalls ein Drittel kleiner. Daraus lässt sich schließen, dass wiederholte Berührung die Schädlingsabwehr signifikant verbessert.

Demnach spielt Jasmonsäure auch bei der Initiierung der Abwehr gegen pflanzenfressende Insekten und Pilze eine entscheidende Rolle. Wenn das Jasmonsäure-Niveau steigt, erhöht sich die Produktion von Metaboliten, die für Pflanzenfresser ungenießbar sind. Die neue Studie liefert erstmals den Beweis, dass diese Abwehrmechanismen ausgelöst werden, wenn die Pflanzen berührt werden. In den Versuchen wurden die Pflanzen von Menschen berührt, die Forscher sind sich jedoch sicher, dass in der freien Natur auch Tiere oder Wind die Reaktionen auslösen können.

Ein bekanntes Beispiel für Pflanzenbewegungen, die durch mechanische Reize ausgelöst werden, ist die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula). Sie schnappt zu, sobald es zu einer Berührung auf dem stark erweiterten Blattstiel kommt. Die rasche Reaktion gilt als eine der schnellsten Bewegungen im Pflanzenreich. Es gibt jedoch auch langsamere und beständigere Anpassungen an Berührungsreize. Beobachtbar ist dieses Phänomen, wenn man Pflanzen einer Art in unterschiedlichen Umwelten betrachtet: In Gewächshäusern werden die Pflanzen, verglichen mit denen im Freiland, größer. Dies kann durch das Fehlen von zufälligen Berührungen (vorbeistreifende Tiere, Wind oder Regen) erklärt werden. Berührungen beeinflussen demnach das Wachstum. Sie hemmen das Längen- und fördern das Dickenwachstum. So sind z.B. Bäume, die starkem Wind ausgesetzt sind, kürzer und haben einen dickeren Stamm, um besser gegen starke Windböen geschützt zu sein.

Wie genau die Berührung die Jasmonsäure-Werte erhöht ist allerdings noch unklar und bedarf weiterer Forschung.
Quellen:
Chehab, E. W., et al. (2012): Arabidopsis Touch-Induced Morphogenesis Is Jasmonate Mediated and Protects against Pests. In: Current Biology, online: 5. April 2012, doi:10.1016/j.cub.2012.02.061

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